Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
müssen, wo er schutzlos den Pfeilen und Lanzen der Garde ausgeliefert war.
Sabatea war mit großer Wahrscheinlichkeit in die Gemächer des Kalifen gebracht worden. Sie war die Vorkosterin des Emirs von Samarkand gewesen und sollte nun, als Kahramans Geschenk an seinen Herrscher, dieselbe Aufgabe im Hofstaat Harun al-Raschids übernehmen. Demnach würde sie sich die meiste Zeit in unmittelbarer Nähe des Regenten aufhalten. Was bedeutete, dass Tarik nicht nur in den Palast eindringen, sondern sich einen Weg zum Kalifen selbst suchen musste. Etwas, woran in den vergangenen Jahren zweifellos Armeen von Attentätern gescheitert waren.
Sein Verstand blendete die Möglichkeit seines Scheiterns weitgehend aus, rückte die Vorstellung seines Todes an den Rand seiner Überlegungen. Falls er sterben musste, dann war seine Niederlage von Beginn an in seinem Schicksal festgeschrieben. War es das nicht, so wollte er seine Chancen nutzen. Dann würde er schlichtweg nicht zulassen, dass irgendwer den Pfad seiner Bestimmung durchkreuzte.
Bestimmung?, hallte es ungläubig in seinen Gedanken nach. Schicksal? Das waren Worte, die früher keine Bedeutung für ihn gehabt hatten. Warum mit einem Mal heute?
Er hatte nie auf Allah vertraut, auf Zarathustra oder einen der anderen Götzen in den rauchverhangenen Tempeln Samarkands. Nach Maryams Verschwinden hatte er den Glauben an göttliche Fügung verloren. Nur ein Glaube war ihm geblieben – der an sich selbst. Sollten andere zu ihren Göttern und Heiligen beten. Falls wirklich ein Opfer vonnöten war, dann würde er es auf dem Altar seiner selbst darbringen.
Mit einem Gefühl von zügelloser Freiheit raste er aus dem Schutz der Bäume hinaus in das Schussfeld seiner Feinde.
Fremde Schwingen
Die Nacht teilte sich wie schwarzer Samt, als Tariks Teppich aus dem Unterholz fegte. Er behielt Recht mit seiner Vermutung: Der Wall aus Palmen, Akazien und Feigenbäumen reichte nicht bis an die Mauern des Palastes. Vor ihm öffnete sich ein Labyrinth niedriger Hecken. Sie waren in ornamentalen Mustern angelegt und säuberlich auf Kniehöhe gestutzt. Von Baikonen und Balustraden in der Palastwand aus hatten die Haremshüter und Wächter freie Sicht auf Höflinge und Frauen, die tagsüber hier spazierten.
Jetzt aber standen dort oben Bogenschützen und Lanzenwerfer, in Windeseile hinter den Geländern aufmarschiert, die meisten sichtlich außer Atem. Tarik vertraute auf ihre Erschöpfung: Männer mit rasendem Herzschlag waren keine zielgenauen Schützen.
Zugleich jagten von oben Teppiche der Falkengarde auf ihn herab. Die Männer hatten eine Hand im Muster versenkt und schwenkten mit der anderen ihre Krummschwerter. Tarik hatte sich eine von Almariks Klingen unters Knie geklemmt, konzentrierte sich aber lieber allein auf die Steuerung des Teppichs. Wenn sie ihm zu nahe kamen, würde ihm genug Zeit bleiben, um nach der Waffe zu greifen.
Er raste weiterhin auf den Palast zu, niedrig über die Hecken hinweg, wich der Fontäne eines Brunnens aus, damit der Teppich nicht nass und widerspenstig wurde, und bemühte sich, die Schützen hinter den Balustraden und die Teppichreiter im Auge zu behalten.
Von seinem ersten Besuch im Palast wusste er, dass die Fassaden mit weiten Terrassen, offenen Hallen und Landeplattformen übersät waren. Unmöglich, sie alle abzuschirmen. Wenn es ihm gelänge, auf dem Teppich ins Innere der Gebäude vorzustoßen, war er vielleicht wieder im Vorteil. Die Falkengarde war bestens ausgebildet; allerdings bezweifelte er, dass sie das Fliegen im Inneren der herrschaftlichen Säle und Korridore trainiert hatten, und im Gegensatz zu ihnen hatte er keinen Respekt vor den Kunstschätzen, Kurtisanen und anderen Kostbarkeiten, die ihnen bei einer Jagd durch den Palast im Weg stehen würden.
Wussten sie, wer er war? Falls man ihn für einen Attentäter hielt, würde man den Kalifen in Sicherheit bringen, nicht aber Sabatea. Trotzdem gab er sich keinen Illusionen hin: Sie in den weitläufigen Flügeln, Türmen und Hallen des Palastes aufzuspüren würde nicht einfach werden.
Die ersten Gardisten gingen zum Angriff über. Behände wich er ihnen aus, ohne nach seiner Klinge zu greifen. Sie waren gut, besser als all die Tölpel, mit denen er es während der Rennen in Samarkand zu tun gehabt hatte. Dennoch kamen sie einzeln nicht gegen ihn an. Ihre schiere Masse war es, die ihm gefährlich werden konnte, zumal sie hervorragend aufeinander eingespielt waren. Sie rasten
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