Sturmrappe — Der Außenseiter (German Edition)
mich wohl ein bisschen an. Ich werde mit den Typen reden. Kein Problem.“ Evan sieht nicht das geringste bisschen überzeugt aus, aber Dan versucht, das zu ignorieren. Er weiß nicht, warum ihn das Ganze so stört. Vielleicht liegt es daran, dass er die Illusion genossen hat, dass es ihm gefallen hat, Evan einfach als Menschen zu sehen und nicht als seinen Arbeitgeber. Also tut es ihm unter Umständen ganz gut, jetzt auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt zu werden und nicht später, wenn es ein noch tieferer Sturz gewesen wäre. „Wenn wir alles Wichtige besprochen haben, werde ich jetzt, glaube ich, schlafen gehen …“
Evan nickt widerstrebend und Dan steht entschlossen auf, schlägt die Decke zurück und legt sich darunter. Evan bleibt noch eine Zeit lang sitzen, dann steht er auf, um das Licht auszuschalten und legt sich ebenfalls ins Bett. Dan liegt noch lange wach, doch er sagt nichts, nimmt das alberne Geplauder vom Vorabend nicht wieder auf. Er muss die Distanz wiederherstellen und dabei wird Bettgeflüster nicht helfen.
Er schläft schließlich ein, aber wacht am nächsten Morgen schon wieder auf, bevor der Wecker klingelt. Er bleibt liegen und versucht, wieder einzuschlafen, doch es ist wie immer zwecklos. Er betrachtet den schlafenden Evan im Bett neben sich und reißt seinen Blick dann gleich wieder los. Angestellte sollten ihren Arbeitgebern nicht beim Schlafen zusehen, sollten nicht das Bedürfnis haben, die nackten Schultern ihres Vorgesetzten zu berühren und dann ihre Hände unter seine Decke gleiten zu lassen …
Er erhebt sich wachsam aus seinem Bett und ortet, was er braucht, bevor er sich bewegt. Seine Schuhe sind da; seine Socken sind da; der Zimmerschlüssel ist da … Er hat in Jogginghose und T-Shirt geschlafen, also kann er das Zimmer verlassen, ohne sich umzuziehen. Er sammelt vorsichtig alles ein und macht sich auf den Weg zur Tür. Das leise Geräusch, als sie beim Öffnen den Boden streift, ist der größte Lärm, den Dan seit dem Aufwachen gemacht hat, aber er zwingt sich dazu, sich nicht nach Evan umzudrehen. Er schiebt sich durch den Türspalt, schließt sie leise hinter sich und atmet die frische Morgenluft tief ein. Es ist ein gutes Gefühl, frei zu sein.
Er setzt sich auf die Bordsteinkante und zieht seine Socken und Laufschuhe an. Er denkt an Evans Trainingseinheiten zum Stressabbau und steht auf, um ein paar Schritte zu gehen und dann loszujoggen. Der gestrige Tag war anstrengend und er hat schlecht geschlafen, also fehlt ihm die Energie, aber es ist ein gutes Gefühl, etwas zu leisten. Er läuft auf dem Bürgersteig entlang und biegt links ab. Sie waren am Vortag von rechts gekommen und er kann sich nicht erinnern, dort gutes Terrain zum Laufen gesehen zu haben. Nicht, dass es einen großen Unterschied macht – zu dieser Tageszeit ist der Bürgersteig wie ausgestorben und er hat überall genug Platz. Nach zehn Minuten pausiert er für ein paar Lockerungsübungen und läuft dann etwas schneller weiter, strengt sich ein bisschen an und versucht, einen gedankenfreien Zustand zu erreichen. Er findet seinen Rhythmus, nimmt das Geräusch seiner Füße auf dem Asphalt wahr, als käme es aus seinem Inneren, und alles andere um ihn herum verblasst. Es fühlt sich gut an.
Schließlich wird er sich seiner Umwelt wieder lang genug bewusst, um zu bemerken, dass der Verkehr dichter wird. Noch nicht ganz Berufsverkehr, aber wohl trotzdem Zeit, sich auf den Rückweg zu machen. Der Zeitplan ist heute nicht ganz so eng, aber es bleibt immer noch genug zu tun. Und Dan hatte Evan gesagt, sie würden mittags zuhause sein. Und mit diesem Gedanken kehrt die ganze Spannung, die er gerade abgebaut hatte, in seinen Körper zurück. Sie würden mittags zu Hause sein, damit Dan einen Haufen Fragen zu irgendwelchen Dummheiten beantworten kann, die er, so kommt es ihm vor, in einem ganz anderen Leben begangen hat. Er glaubt Evan, wenn dieser sagt, ein Eintrag im Jugendstrafregister wäre für ihn keine große Sache, aber er freut sich trotzdem nicht darauf, alles noch einmal zu durchleben und von völlig Fremden wegen der Fehler in seinem Leben in die Mangel genommen zu werden.
Als er zurück ins Motel kommt, ist das Zimmer leer und Evans Sachen sind nicht mehr da, doch der Cherokee steht immer noch auf dem Parkplatz. Dan schaut auf die Uhr. Viel Zeit hat er zwar nicht mehr, doch er ist nicht zu spät. Er hängt seine verschwitzte Kleidung zum Lüften auf, während er kurz duscht. Als Dan
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