Sturmrappe — Der Außenseiter (German Edition)
Nummer versuchen. Danke, Dan.“
„Ja, danke Linda“, antwortet Dan, doch es ist, als würde sich sein Mund nur aus Gewohnheit und ohne Verbindung zum Rest von ihm bewegen. Mit den Gedanken ist er ganz woanders und sein Verstand rast wild und wirkungslos, während er versucht, die widersprüchlichen Informationen zu verarbeiten. Er legt auf und lässt sich auf der Stoßstange seines Pick-ups nieder.
Plant Evan, Dan zu ersetzen, falls er nicht auf seinen Vorschlag eingeht? Oder hat er das sowieso vor? Evan hatte gesagt, er wünsche sich alle drei von ihnen zusammen, aber er hatte nie erwähnt, wie lange sie zusammen bleiben sollten. Dan wird klar, wie wenig er über Evans Pläne weiß. Oder auch Jeffs. Dan weiß, dass Evan für Jeff an erster Stelle steht, aber würde er so weit gehen, Evan bei dem Versuch zu unterstützen, Dan zu entlassen? Er fragt sich, was die beiden im Gegensatz zu dem, was sie von ihm verlangen, überhaupt aufs Spiel setzen müssten. Oder vielleicht erwarten sie gar nicht so viel von ihm, wie er glaubt. Vielleicht sind sie nur auf eine schnelle Nummer aus und er sollte es endlich hinter sich bringen. Jeff ist heiß, Evan ist heiß – wer sagt denn überhaupt, dass Gefühle mit im Spiel sein müssen? Sie hatten zwar von „Interesse“ gesprochen, aber was heißt das schon, wenn Evan ganz offensichtlich auch an dem Idioten Sean Dubois „interessiert“ ist? Warum sollte Dan ihnen diese Genugtuung gönnen? Wenn das alles nur eine Lüge oder ein Spiel für sie war, warum sollte er sie gewinnen lassen?
Besitzt Evan wirklich die Dreistigkeit, in Ryans Wohnung zu kommen und Dan einen Vortrag über Vertrauen zu halten, während er hinter seinem Rücken bereits nach einem Ersatz für ihn sucht? Hat Dan sich tatsächlich dafür geschämt, wegen der Sicherheitssache überreagiert zu haben? Natürlich vertraut Evan ihm. Er vertraut darauf, dass Dan ein totaler Idiot ist, der noch nicht einmal merkt, wenn man ihn benutzt, vertraut darauf, dass er durch das halbe Land reist und sich den Arsch aufreißt, um einen Haufen Pferde in Form zu bringen und das nur, damit sie ihm dann jemand anders wegschnappen kann. Dan steht von der Stoßstange auf und lässt sich stattdessen mit den Füßen auf dem Gehweg auf dem Autositz nieder, stützt den Kopf in die Hände und drückt zu, als könnte er so dem Gedankenchaos Einhalt gebieten.
Am liebsten würde er wieder fahren, einfach einsteigen und davonrasen. Er hat sich die ganze Zeit etwas vorgemacht, wenn er geglaubt hat, er könnte diese Arbeit ohne Justin bewältigen, er würde in dieses nette Haus gehören und in diesen netten Stall mit seinen netten Menschen. Er ist nicht nett und die Sicherheitsleute haben nur eine Sekunde gebraucht, um das zu erkennen. Sie sind jetzt bestimmt genervt, weil sie denken, dass er mit allem davongekommen ist und dass Evan ihm vertraut. Evan sollte ihnen sagen, dass er einen Anderen einstellt, damit sie sich besser fühlen. Ja, vielleicht hat er das sogar schon. Vielleicht ist Evan deswegen beschäftigt – beschäftigt damit, sich mit den Sicherheitsleuten zusammen über den armen dummen Schulabbrecher totzulachen, der sich einbildet, auch nur in die Nähe des großen Kaminski zu gehören. Zum Teufel damit, wenn Sean sich diesen Mist antun will, soll er doch. Dan hat die Nase voll.
Dan denkt an Justin und daran, wie einfach es mit ihm war. Sie hatten einander geliebt, ihre Arbeit geliebt, ihre Pferde … ihr Leben. Und jetzt hat Dan das hier. Dieses verwirrende Durcheinander. Dan erinnert sich an die Beerdigung, bei der Chris von Justins Leidenschaft und Entschlossenheit gesprochen hatte. Dan vermisst beides. Er braucht es. Und dann fallen ihm andere Momente aus diesen Tagen in Kentucky ein. Er erinnert sich an den nächtlichen Ritt mit Jeff und Chris Justins Hügel hinauf, wie er die Nacht gespürt und sich von seinem Pferd hatte führen lassen. Wie kommt es, dass Dan sich auf dem Pferd so sicher fühlt, aber die restliche Zeit über so verwirrt ist? Er erinnert sich auch an Jeff und Evan bei der Beerdigung und an Tatianas liebevolle Umarmung und ihre freundlichen Worte bei der Totenwache. Er denkt daran, wie sehr Evan seine Schwester liebt und wie großartig sie sich entwickelt.
Und er holt sein Handy heraus und wählt. Es klingelt ein paar Mal, dann folgt die Begrüßung der Mailbox und der Piepton. Hoffentlich tut Dan das Richtige.
„Hallo Evan, hier ist Dan. Ich glaube … ich muss mal mit dir reden … Ruf mich einfach
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