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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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sein eigenes. Der rote Staub war überall, in den Haaren, auf der Haut, zwischen den Zähnen. Dort, wo während der Fahrt ihre Sonnenbrille gesessen hatte, zeichneten sich zwei weiße Kreise ab. Trotzdem tat das ihrer Attraktivität keinen Abbruch. Zumindest nicht in seinen Augen.
    Noch bevor er nachhaken und erklären konnte, was er meinte, wandte sie sich an den Wildhüter. Oder an den Park Ranger , wie er hierzulande genannt wurde. »Ich muss dringend für kleine Mädchen. Kann ich mich kurz ins Gebüsch verziehen?«
    Der Ranger schüttelte vehement den Kopf und befahl ihr, sich auf keinen Fall vom Jeep zu entfernen. »Dort drüben ist ein Wasserloch!«, sagte er streng, und obwohl dort kein einziges Tier zu sehen war, ließ sein Tonfall deutlich erkennen, dass er diese Erklärung für mehr als ausreichend hielt. Er schüttelte abermals den Kopf angesichts so viel europäischer Einfalt, dann folgte ein Vortrag über Spinnen, Schlangen und Skorpione, die in der Dämmerung kaum zu sehen seien und mit Vorliebe in die schneeweißen Hinterteile von Touristinnen bissen. Jonathan kicherte, Hanna musste ebenfalls lachen.
    Die Heiterkeit wurde jäh unterbrochen.
    »Still!«, zischte der Ranger. Seine Stimme verriet Anspannung, während seine Rechte nach dem Jagdgewehr griff. Gleichzeitig deutete er mit der Linken nach Westen.
    Die anderen hielten den Atem an und spähten in die gewiesene Richtung. Irgendetwas war im Busch, im wahrsten Sinne des Wortes. Der Horizont über den Baumwipfeln schien in Flammen zu stehen. Nur noch eine halbe Stunde, dann würde sich die Dunkelheit über das ausgetrocknete Land legen und einen herrlichen Tag voll magischer Erlebnisse beenden.
    Und es war wirklich ein wundervoller Tag gewesen.
    Bernd war sich wie in einem Film vorgekommen, in einer Mischung aus Abenteuerschinken und romantischer Safari-Schnulze. Sie hatten Giraffen gesehen und Zebras, Antilopen, hässliche Warzenschweine, ein gigantisches Nashorn sowie eine Elefantenherde. Letztere hatte eine Menge roten Staub aufgewirbelt. Dabei war sie so dicht am Jeep vorbeigetrottet, dass man einzelne Tiere mit ausgestrecktem Arm hätte berühren können. Gegen Mittag hatten sie in einer malerischen Lodge Halt gemacht, waren bedient worden von Kellnern in khakifarbener Tropenkluft und hatten opulent gespeist. Als Nachtisch waren ihnen halbierte Kokosnüsse serviert worden, die neben der Kokosmilch auch Schnaps enthalten hatten, der mit Strohhalmen geschlürft wurde. Sie hatten sich über alles Mögliche unterhalten und eine gute Zeit gehabt. Im zweiten Teil der Jeeptour waren sie dann Zeuge geworden, wie ein Raineyi , ein Gepard, nach wahnwitzigem Sprint eine Gazelle gerissen hatte. Und dann war da noch die Pavianfamilie gewesen, die versucht hatte, den Wagen zu entern, weshalb Jonathan mächtig aufs Gaspedal gestiegen war. Vor Pavianen sollte man auf der Hut sein, hatte der Ranger erklärt, da sie Allesfresser waren und auch Aas verzehrten, wodurch sie zu wandelnden Brutstätten für Krankheiten wurden, und das wiederum machte einen Pavianbiss lebensgefährlich. Die Frage, ob sie denn auf Menschen losgingen, wurde vehement bejaht.
    In Köln laufen ebenfalls Paviane herum , hatte Bernd voller Sarkasmus gedacht, ganze Herden davon. Doch wenigstens sind deren Bisse normalerweise nicht lebensgefährlich.
    Der Ranger spähte immer noch Richtung Busch.
    »Es stinkt«, stellte Hanna fest.
    Das stimmte, wie Bernd deutlich wahrnahm, als der laue Wind kurzzeitig in Richtung Jeep wehte. Der Geruch beschwor augenblicklich die Bilder in ihm herauf, die er in einer Fernsehsendung über die Pest gesehen hatte.
    Der Ranger wies sie auf eine große Anzahl Geier hin, die in den Bäumen hockten, mindestens zwei Dutzend. »Maneater!«, hauchte er. »Darum sind keine Tiere am Wasserloch. Sie spüren es.«
    Maneater war das englische Wort für Menschenfresser. Bernd brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, dass damit nicht die Geier gemeint waren, sondern höchstwahrscheinlich eine Raubkatze. Er erinnerte sich, dass Raubkatzen, die bereits auf Menschen losgegangen waren, derart bezeichnet wurden, und fragte sich, woher der Ranger wusste, dass es sich ausgerechnet um ein solches Tier handelte, das dort durchs Unterholz schlich. Das heißt, woher wusste er überhaupt von dessen Anwesenheit? Zu sehen war weit und breit nicht einmal eine Schwanzspitze.
    Der Gedanke war kaum verraucht, als er jäh zurückzuckte, weil eine Impala-Antilope aus dem Busch brach, ein

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