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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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fixierte den Wärter.
    Rinderhälfte starrte zurück. Was er sah, war ein hässlicher Mann Ende vierzig, mittelgroß, dicklich, mit einem von Aknenarben übersäten Gesicht und fleischigen Hängewangen, die deutlich bezeugten, dass er gern und viel zu viel aß. Die Nase des Mistkerls passte perfekt zu dem Rest seines abstoßenden Äußeren, denn sie war platt und unförmig wie die eines Boxers. Wenn es stimmte, was man sich erzählte, war er in jungen Jahren tatsächlich Boxer gewesen und hatte sogar knapp vor einer Profikarriere gestanden. Doch Rinderhälfte hielt das für ein Gerücht, denn auf ihn wirkte der Typ nicht wie jemand, der sich mit Fäusten verteidigen konnte. Allerdings auch nicht wie der gefürchtete Unterweltboss, der er laut Akte war. Ältere Wärter kannten ihn als eine ganz große Nummer im Milieu. Doch hier drinnen, ohne seine Mietgorillas, war er nur ein vollgefressener Schlaffi.
    Aber leider war dieser Schlaffi ein ganz besonderer Gefangener, den man mit Samthandschuhen anfassen musste. Das nämlich hatte der Anstaltsleiter verfügt und es seinen Beamten regelrecht eingebläut. Es vergingen keine vierzehn Tage, ohne dass sich der Chef höchstpersönlich nach dem Befinden des verdammten Günstlings erkundigte. Ja, Günstling, so wurde der Gefangene aus 032 von den Wärtern genannt, und diese Bezeichnung war durchaus zutreffend. Wer sonst hatte jemals einen ehemaligen Aufenthaltsraum des Untersuchungstraktes bewohnen dürfen, noch dazu allein? So etwas hatte es nie zuvor gegeben.
    Außerdem war dem Günstling gestattet worden, sich häuslich einzurichten mit einem Wasserbett, einem gigantischen Plasmafernseher und einem Weinkühlschrank. Dabei galt für alle anderen Häftlinge striktes Alkoholverbot, auch wenn sie dieses Verbot gelegentlich mit sogenanntem Angesetzten umgingen, also mit ekelhaftem Schnaps, den sie heimlich aus vergorenem Apfelsaft zubereiteten. Auch metallenes Essbesteck war auf den Zellen tabu, selbst dann, wenn es sich bei diesem Metall um Silber handelte. Doch all das und noch viel mehr gehörte zu den Privilegien des Günstlings.
    »Sagen Sie, mein lieber Freund«, beendete der Günstling das gegenseitige Starren, »was ist das eigentlich für eine Jammergestalt da draußen? Ich meine diese Dachpappe, um die so ein Theater gemacht wird? Ich beobachte das schon seit einigen Tagen.« Er deutete mit der Gabel zum Fenster.
    Draußen sah man einen farbigen Häftling, der im Hof herumgeführt wurde. Seine Hände waren gefesselt, genauso wie seine Füße. Die Kette zwischen den Gelenken erlaubte ihm nur winzig kleine Schritte. Hinter ihm schlurften gleich drei Wärter her. Solche Sicherheitsvorkehrungen waren höchst ungewöhnlich für ein Gefängnis, in dem normalerweise nur Untersuchungshäftlinge saßen und solche mit Freiheitsstrafen von nicht mehr als achtundvierzig Monaten. Und Günstlinge.
    Rinderhälfte, dem nicht nach Konversation zumute war, schaute in die angezeigte Richtung. »Das ist Omar Aidid«, gab er widerwillig Auskunft.
    »Mon Dieu!«, echauffierte sich der Gefangene. Seit er angefangen hatte, französischen Wein zu trinken, war das zu seiner Allerweltsformel geworden. »Doch nicht etwa der Omar Aidid? Von dem habe ich in den Nachrichten gehört. Soll angeblich ein berüchtigter Pirat sein, der auf seinen Prozess wartet.«
    »Er ist ein Pirat«, versetzte Rinderhälfte knapp.
    Der Günstling schob sich die Gabel in den Mund, die mit einer gallertartigen Speise vollgeladen war. Kauend wollte er wissen: »Und warum wird dieser Schrecken der Meere so streng bewacht? Ich meine, Hand- und Fußeisen, drei Mann Eskorte, separater Hofgang. Ist das nicht übertrieben?«
    Der hünenhafte Beamte starrte aus dem Fenster. »Wieso übertrieben?«
    »Kommen Sie, da ist doch was im Busch! Niemand, der hier einsitzt, wird dermaßen streng bewacht. Noch nicht einmal ich, und ich bin bei Weitem der schlimmste Finger.« Er lachte laut und unangenehm und verschluckte sich an seinem Wolfsbarsch, was zu einem sofortigen Hustenanfall führte. Als der zu Ende war, hakte er nach. »Nun hören Sie schon auf, sich zu zieren, Schmitz! Was macht diesen somalischen Francis Drake dermaßen gefährlich, dass ihn drei Mann bewachen müssen, während er in Ketten seine Runden im Hof dreht?«
    Der Somalier wurde gerade wieder ins Gebäude geführt.
    Hälfte war anzusehen, dass er nicht den leisesten Schimmer hatte, wer Francis Drake war, genauso wie ihm ins Gesicht geschrieben stand, dass er sich

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