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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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vor dem Achsbruch, doch dafür geriet er derart heftig ins Schlingern, dass für einen Sekundenbruchteil nur die beiden linken Räder Bodenkontakt hatten.
    Bernd krallte sich an seinem Haltegriff fest, Hanna stieß einen schrillen Schrei aus und wurde gegen ihn geschleudert. Der Motor heulte verzweifelt auf, ein Bersten war zu hören, dann folgte ein dumpfer Schlag, der die Karosse beben ließ. Für einen bangen Moment hatte es den Anschein, als kippe der Jeep um, doch gottlob war die Schwerkraft gnädig und holte die beiden frei schwebenden Räder wieder auf die Erde zurück. Der Wagen kam zum Stehen, Jonathan sprang ins Freie und fluchte in einer Mischung aus Englisch und Swahili.
    Der Grund für die Schimpfkanonade offenbarte sich kurze Zeit später: Infolge der unnatürlichen Schräglage des Jeeps waren die Reifen der belasteten Seite von den Felgen gesprungen. Übrig waren nur noch Fetzen aus Gummi und Drahtgeflecht, doch sonst gab es keine Verluste zu beklagen, weder bei Mensch noch Material, was einem Wunder gleichkam. Dumm jedoch, dass bei zwei Plattfüßen nur ein Reserverad zur Verfügung stand, während die nächste Autowerkstatt rund zweihundert Kilometer entfernt war.
    Doch immerhin verfügte der Jeep über ein Funkgerät, und Minuten später war die herbeigerufene Hilfe bereits unterwegs. Allerdings würden noch mindestens zwei Stunden bis zu ihrem Eintreffen vergehen. Oder vielleicht drei oder vier, so genau war das nicht vorherzusagen.
    »That’s Africa!«, meinte Jonathan gelassen. Nachdem sich sein anfänglicher Ärger gelegt hatte, war er in die landestypische Gleichgültigkeit verfallen.
    Also stand der Jeep mit seinen vier wartenden Insassen mitten im Nichts. Denn neben Jonathan, Bernd und Hanna war da noch der Wildhüter, den sie vor vielen Stunden an einer Lodge am Rande des Parks aufgenommen hatten. Jetzt wurden sie an drei Seiten umgeben von Savanne: endlos, flimmernd, flach wie ein Bügelbrett und scheinbar leer. Die Erde war dunkelrot. An der vierten Seite, nur einen Steinwurf entfernt, befand sich ein Wasserloch. Dahinter wurde die Vegetation üppiger und ging schließlich in das über, was gemeinhin als Busch bezeichnet wurde.
    »Jeep fahren ist in Kenia nicht ohne«, scherzte Hanna in einer Anspielung auf den Beinahe-Unfall. Sie wurde schlagartig ernst. »Wusstest du eigentlich, dass die Frau den Sturz nicht überlebt hat? Ich habe es gestern gehört, man hat in der Lobby darüber getuschelt. Armer Easy Rider.«
    Er konnte ihr nicht folgen. »Welche Frau? Welchen Sturz? Und wer, bitte schön, ist Easy Rider?« Noch während er sprach, dämmerte es ihm. »Du meinst den Rocker mit dem Harley-Davidson-Shirt und seine Freundin, die vom Jeep gefallen ist?« Er schluckte, als er vollends begriff. »Tot?«
    Sie nickte. »Der Typ kann einem wirklich leidtun. Zu seinem Elend hat er nämlich jetzt auch noch die Bürokratie am Hals. Wie ich hörte, lassen die Behörden ihn nicht nach Hause, bis sämtliche Formalitäten geklärt sind, worin auch immer die bestehen mögen. Angeblich darf er erst übernächsten Samstag zurück, gemeinsam mit seiner Freundin, nur dass die in einem Sarg oder in einem speziellen Frachtbehälter im Gepäckraum liegen wird.«
    »Wie schrecklich«, sagte Bernd lahm. Sein Mitleid für den Easy Rider hielt sich in Grenzen.
    Sie schwiegen eine Weile, in der jeder seinen Gedanken nachhing.
    »Nebenbei bemerkt«, unterbrach er schließlich die Stille, »auch mein Flieger geht übernächsten Samstag. Und deiner?«
    »Vier Tage vorher, am Dienstag.«
    »Dienstag?«, vergewisserte er sich mit Panik in der Stimme. Demnach blieben ihm nur noch fünf Tage mit ihr. Der Gedanke jagte ihm Angst ein, doch sie schien es nicht wahrzunehmen.
    »Was … was geschieht danach?«, fragte er unbeholfen. Die Vorstellung, ohne sie noch eine halbe Woche in Afrika verbringen zu müssen, bereitete ihm fürchterliches Unbehagen.
    »Was geschieht danach?«, echote sie. »Nachdem unsere Retter mit dem Ersatzreifen erschienen sind, meinst du? Ich denke, dann werden wir geradewegs zum Hotel zurückfahren. Es war schließlich ein langer Tag, und ich bin hundemüde.«
    Die Antwort kam ihm vor wie ein Schlag in die Magengrube. Nein, was nach dem Reifenwechsel passiert, wollte ich nicht wissen. Vielmehr interessiert mich, ob wir uns wiedersehen. Ob du mich wiedersehen willst. Haben nicht normalerweise wir Männer das Monopol, unsensibel zu sein?
    Er sah ihr lange ins Gesicht, das genauso verdreckt war wie

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