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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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und faulem Obst und ein gutes Dutzend anderer Aromen hüllte sie ein und raubte ihr fast den Atem. Doch noch schlimmer war der Platzmangel. Jeder Quadratzentimeter war mit irgendwelchem Krimskrams vollgestopft, wobei die Leute die verwunderlichsten Dinge mit sich führten. Ein alter Mann mit grauem Kraushaar hatte eine Kaffeemühle auf dem Schoß, eine Frau gar eine uralte Olympia-Schreibmaschine. Überall lagerten Tüten und Taschen und Kartons, die kreuz und quer durch die Gegend flogen, als sich der Bulli endlich in Bewegung setzte. Auch der brummende Alukoffer geriet ins Rutschen.
    Seufzend versuchte sie, den Ellenbogen von schräg hinten zu ignorieren, der ihr im Takt der Schlaglöcher gegen den Kopf stieß. Noch gravierender war der Oberschenkel des Nebenmannes, der sie vom Polster zu schieben drohte, was sie dadurch verhinderte, dass sie ihr linkes Knie gegen die Rückenlehne des Sitzes vor ihr stemmte, sehr zum Ärger der dort hockenden Frau. Diese wiederum revanchierte sich mit einer in alle Himmelsrichtungen abstehenden Rastafrisur, die komplett die Sicht versperrte und streng nach Haarfestiger roch.
    Niemand sprach ein Wort, alle stierten gedankenverloren vor sich hin. Der Motor verrichtete Schwerstarbeit, doch Mpumelele nahm die Kurven wie ein Rennfahrer, was ihm sichtbar Spaß bereitete. Die Hupe war im Dauereinsatz, die Passagiere mussten sich festhalten.
    Ihr Nebenmann wurde gegen sie geschleudert. Dabei berührte sein nackter schweißglänzender Arm ihren ebenfalls nackten Unterarm. Sie zuckte zurück, denn sofort kam ihr eine Horrorvision in den Sinn. Wenn der Mann AIDS hatte, überlegte sie, bestand die Gefahr, sich anzustecken. Nur mit Mühe unterdrückte sie den Impuls, ihren Arm abzuwischen und die aufgerollten Hemdsärmel herunterzukrempeln. Der Mann lächelte sie entschuldigend an, doch ihre einzige Erwiderung bestand in einem entsetzten Starren. Der Mann war sympathisch. Sympathisch und mit einer Wahrscheinlichkeit von fast fünfzig Prozent HIV -positiv!
    AIDS überträgt sich nicht durch Schweiß! , rief sie sich ihr Wissen über die tödliche Immunschwächekrankheit in Erinnerung. Ansteckend sind nur Blut, Muttermilch, Sperma und Vaginalsekret. Das hat der Arzt in dem Labor ausdrücklich bestätigt. Also beruhige dich!
    Endlich schaffte sie es, das Lächeln zu erwidern. Dann ließ sie den Blick schweifen. Trotz der Hitze lief ihr ein Schauer über den Rücken, als ihr bewusst wurde, dass beinahe jeder zweite dieser Menschen in nicht allzu ferner Zukunft sterben würde, nicht an Hunger, nicht infolge eines Bürgerkrieges und schon gar nicht an Altersschwäche. AIDS würde sie umbringen.
    Der Bulli verließ die engen Gassen Mbabanes und bog ab auf eine breite asphaltierte Straße, die in bemerkenswert gutem Zustand und zudem kaum befahren war. Mpumelele trat mächtig aufs Gaspedal. Bei diesem unerwartet hohen Tempo könnten sie Johannesburg bereits am späten Nachmittag erreichen. Glück im Unglück! Ein wohltuender Fahrtwind strich durch die geöffneten Seitenfensterchen und kühlte ihre glühende Stirn. Leider war dieser Genuss nur von kurzer Dauer, da die Reise nach fünf Minuten schon wieder zu Ende war.
    »Was ist los?«, fragte sie, als der Bulli auf einer Schotterpiste neben der Straße hielt. Nicht weit entfernt waren ein paar Gebäude zu sehen, darunter eine Tankstelle, drei oder vier kleine Geschäfte sowie ein Postamt.
    »Shopping«, antwortete jemand, dann verließen alle wie selbstverständlich den Bulli und verschwanden schwatzend und gut gelaunt in den Geschäften.
    Sie und der Fahrer blieben als Einzige zurück. Sie war vollkommen perplex. »Was hat das zu bedeuten, Mpumelele? Wieso halten wir? Doch nicht etwa zum Einkaufen?«
    Der Angesprochene nickte vergnügt.
    »Das ist die Höhe!«, protestierte sie. »Wir sind keine drei Kilometer weit gekommen und machen schon Rast? Bodo, bleib hier! Platz!« Und wieder an Mpumelele gewandt: »Ich muss dringend nach Johannesburg.« Sie dachte an die Männer mit den weißen Strohhüten, Mr Albright und Mr Neboto, die höchstwahrscheinlich schon hinter ihr her waren.
    Der Schwarze warf ihr im Rückspiegel einen heiteren Blick zu. »That’s Africa. Fahren gleich weiter, wenn Leute haben gekauft Geschenke für Verwandtschaft in Jo’burg.« Er brachte die Rückenlehne in Liegeposition, schwang das rechte Bein auf das Armaturenbrett und hängte das Linke kurzerhand aus dem Seitenfenster. Fünf Sekunden später verkündeten leise

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