Sturms Flug
Schnarchgeräusche, dass er eingeschlafen war.
»Na toll«, brummte sie vor sich hin. »That’s Africa! Wenn die mich kriegen, bin ich geliefert.«
Bodo wedelte mit dem Schwanz, denn für ihn war die Welt in Ordnung.
Zehn Minuten später stand sie vor dem Postamt, um die Zeit bis zur Weiterfahrt für ein dringendes Ferngespräch in die Heimat zu nutzen. Zuvor hatte sie in einem der Geschäfte ein Halsband nebst Hundeleine erstanden und Bodo draußen festgebunden.
»Hör gefälligst auf, so zu gucken!«, blaffte sie ihn an. »Du bleibst draußen! Wenn wir erst zu Hause sind, kannst du auch nicht überallhin mitkommen. Also gewöhne dich daran!«
Das Postamt bestand aus einem einzigen riesengroßen Raum. Als »Telefonzelle« fungierte ein Tisch in einer Ecke, auf dem ein antik anmutender Fernsprecher mit Wählscheibe stand. Ein ebenfalls altertümliches Zählwerk gab Auskunft darüber, wie viele Einheiten man abtelefoniert hatte. Bezahlt wurde am Schalter, wenn das Gespräch beendet war. Außer ihr und dem Postbediensteten war niemand anwesend.
Nachdem sie sich den Stuhl so zurechtgerückt hatte, dass sie das Fenster einschließlich dem in der Sonne wartenden Bulli im Blick hatte, nahm sie den Hörer in die Hand und wählte.
»Null-null-vier-neun-zwo-zwo-eins …«
Das Freizeichen ertönte.
» Kölner Kurier «, meldete sich eine Frauenstimme. »Die Zeitung am Puls der Stadt. Was kann ich für Sie tun?«
Sie räusperte sich. »Hier ist Sturm. Bitte verbinden Sie mich mit Frau von Kalck.« Ihre Stimme hallte überlaut von den kahlen Wänden wider, doch der Postbedienstete nahm keine Notiz davon.
»Oh, das ist leider nicht möglich. Frau von Kalck ist die Chefredakteurin, sie ist nur nach vorheriger Vereinbarung zu sprechen …«
»Ist mir bekannt«, fiel sie ihrer Gesprächspartnerin ins Wort. »Bitte verbinden Sie mich trotzdem. Wenn Frau von Kalck erfährt, dass ich am Apparat bin, wird sie erfreut sein. Glauben Sie mir.«
Es knackte in der Leitung, die Telefonistin zögerte. »Nun, ich fürchte, ich habe Ihren Namen vorhin nicht verstanden …«
Sie seufzte. »Sturm. Tamara Sturm.« Ihren Vornamen benutzte sie normalerweise nur, wenn es unbedingt nötig war. Für ihre Freunde und Bekannten war sie schlicht Mara.
»Ach, Frau Sturm, Sie sind das! So was aber auch, ich habe Ihre Stimme gar nicht erkannt. Sie klingen so weit weg, als würden Sie vom Mond anrufen.«
»So ähnlich«, sagte Tamara Sturm alias Mara. »Kann ich jetzt bitte mit Frau von Kalck sprechen?«
»Selbstverständlich. Für unsere Star-Reporterin hat Frau von Kalck immer Zeit.« Sie setzte ein mädchenhaftes Kichern hinzu, dann kam wieder ein Knacken aus dem Hörer, und es verging eine schiere Ewigkeit, bis sich die Chefredakteurin des Kurier meldete, Frau Anne von Kalck.
»Mara!«, rief sie. »Wo, zur Hölle, steckst du, und warum meldest du dich erst jetzt? Ich habe mir Sorgen gemacht! Bist du noch zu retten?«
Sie lächelte, obwohl die Redakteurin, die nebenbei ihre beste Freundin war, sie schalt. Es tat gut, eine vertraute Stimme zu hören, selbst wenn diese Stimme schimpfte. »Das sind drei Fragen auf einmal, Anne. Welche soll ich als erste beantworten? Ob ich noch zu retten bin? Nein, glaube ich. Warum ich mich noch nicht gemeldet habe? Ganz einfach, weil mein Handy hier unten nicht funktioniert. Nirgendwo. Kein Netz.«
Anne von Kalck lenkte augenblicklich ein, ihr Tonfall wurde versöhnlich. »Verstehe. Und wie geht es dir? Bist du in Ordnung?«
»Mir geht es gut«, log sie. »Ich habe mir einen kleinen Magen-Darm-Virus eingefangen, aber der ist mittlerweile schon wieder auf dem Rückmarsch. Vielleicht lag es am Essen, vielleicht an der mangelhaften Hygiene im Hotel oder am Klima. Keine Ahnung.«
Von einem kleinen Magen-Darm-Virus zu sprechen war die Untertreibung des Jahrhunderts, denn sie hatte sich noch nie in ihrem Leben so krank gefühlt wie in den letzten zwei Wochen. Angefangen hatte es mit Erbrechen und Durchfall, womit sie sich tagelang herumgequält hatte, bis sie eines Morgens im Frühstücksraum des Hotels zusammengebrochen war. Man hatte sie ins Central Hospital von Mbabane geschafft, eine abenteuerliche Klinik, die sofort die Vorstellung von einem Buschkrankenhaus weckte, und dort war ihr eine Infusion verpasst worden, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Danach hatte sie sich kurzfristig erholt, Durchfall und Übelkeit waren verschwunden.
Dafür waren bereits zwei Tage darauf andere Symptome
Weitere Kostenlose Bücher