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Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Quandt
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den Mann in die Brust traf, genau genommen ins Herz.
    Wie in solchen Fällen üblich, wurde sie angeklagt und musste sich vor einem Schwurgericht verantworten, das in einem bemerkenswert zügigen Verfahren ihre Unschuld feststellte. Der Urteilsspruch kam deshalb so rasch zustande, weil der Fall so eindeutig war, wie die drei Richter und ihre beiden Schöffen erklärten: Es war ein klassischer Fall von Notwehr.
    Doch dann trat die Presse auf den Plan. Irgendwie deckte ein Journalist auf, dass eine Akte fehlte, die Bestandteil des Verfahrens war oder, präziser ausgedrückt, Bestandteil des Verfahrens hätte sein sollen. Das löste einen krachenden Skandal aus, der in der Öffentlichkeit hitzig diskutiert wurde. Die Boulevardblätter warfen die Frage auf, ob mit dem Verschwinden der Akte etwas vertuscht werden sollte, und das Schlagwort Beweismittelunterdrückung stand plötzlich im Raum. Die Justiz versuchte sich schadlos zu halten und wälzte alle Fragen auf die Polizei ab, und diese wiederum, vertreten durch Herrn Dr. Bohnes Vorgänger, wurde nervös. Binnen kürzester Zeit entwickelte sich eine unbeschreibliche Schlammschlacht, die darauf abzielte, jemanden zum Sündenbock zu stempeln.
    Wie so oft fand man ihn irgendwo in den Niederungen des Systems: Tamara Sturm. Noch heute sah Wagemann die Schlagzeilen vor sich: Toter bei Razzia! Pistolen-Lady freigesprochen! War es wirklich Notwehr? Wenn Wagemann daran dachte, kam ihm nachträglich fast die Galle hoch.
    Schlussendlich stellte sich heraus, dass die verhängnisvolle Akte in Wirklichkeit nie verschwunden war, sondern dass man sie aufgrund eines Versehens, nämlich eines simplen Zahlendrehers, unter einem falschen Geschäftszeichen abgelegt hatte, was erklärte, warum sie zunächst nicht gefunden werden konnte. Ironischerweise hatte sie nichts enthalten, was auch nur ansatzweise dazu geeignet gewesen wäre, den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen. Ergo war der ganze Zirkus umsonst gewesen und Tamara Sturm völlig zu Unrecht ins Kreuzfeuer geraten. Sie hatte sich nichts vorzuwerfen, doch leider trug sie seitdem ein Brandzeichen.
    Wagemann wurde in die Wirklichkeit zurückgeholt, als er den PP fragen hörte: »Sagen Sie mal, Böll, was macht sie denn in unserer Behörde, diese Kommissarin?«
    »Frau Sturm? Sie arbeitet im Kommissariat 21.«
    Dr. Bohne lachte entwaffnend. »Bitte helfen Sie mir auf die Sprünge. Bis ich mit dem Aufbau der Behörde vertraut bin, wird wohl noch eine Weile vergehen. Das 21ste ist wofür zuständig?«
    »Verzeihung. Organisierte Kriminalität.«
    »Aha, die ganz schweren Jungs also. Eine verantwortungsvolle Aufgabe für eine junge Frau, möchte ich meinen.«
    »Junge Frau? So jung ist sie nun auch wieder nicht, sie wird im Dezember achtunddreißig. Ich weiß das deshalb so genau, weil ich den Festakt organisiere, bei dem die Jubilare geehrt werden. Frau Sturm ist auch darunter, sie feiert am 1. September Dienstjubiläum, sie ist dann seit zwanzig Jahren Polizistin.«
    »Das wundert mich«, sinnierte der PP laut. »Schon zwanzig Jahre dabei und erst Oberkommissarin … Woran liegt das? Macht sie keinen ordentlichen Dienst?«
    Boll lachte bissig. »Ordentlichen Dienst?«, brummte er. »Das möchte ich bezweifeln.«
    Er fügte noch etwas hinzu, das Wageman nicht verstehen konnte, da es in der bierseligen Gesangseinlage unterging, die just in diesem Moment vom Nachbartisch herübergeschmettert kam.
    Der PP wurde augenblicklich hellhörig. Seine manikürte Rechte, die ein silbernes Feuerzeug hielt, um damit eine Zigarre anzuzünden, erstarrte mitten in der Bewegung. »Frau Sturm macht also keinen ordentlichen Dienst? Wieso? Erklären Sie mir, woran es bei ihr hapert.«
    Boll fühlte sich augenfällig unwohl in seiner Haut. Er schaute gehetzt in die Runde, um sich zu vergewissern, dass ihm niemand zuhörte. Wagemann drehte rasch den Kopf und tat so, als beobachte er amüsiert die Sänger am Nachbartisch.
    »Wissen Sie«, druckste Boll herum, »sie ist nicht gerade das, was man unter einer mustergültigen Beamtin versteht.«
    »Interessant. Inwiefern?«
    Der Fettwanst räusperte sich. Er war Oberamtsrat und Leiter der Personalverwaltung. Über seinen Schreibtisch gingen die Personalakten sämtlicher Mitglieder der Behörde, und über diese hatte er selbstverständlich striktes Stillschweigen zu wahren. Es stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben, dass er sich fragte, ob diese Verschwiegenheitspflicht auch gegenüber dem Polizeipräsidenten

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