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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Geld und Brot, um noch eine weitere Magd anzustellen. Und bis das Korn reif war und sie als Erntehelferin arbeiten könnte, würde es noch Monate dauern. Etwas Mehl und andere Vorräte befanden sich in der Speisekammer. Vielleicht würde Magda Fehrmann ihr in der Not etwas leihen. Und den Bauern vor der Stadt würde es gewiss nicht auffallen, wenn ein paar Ähren fehlten …
    Ein lautes Knarren riss sie aus ihren Gedanken fort. Als sie aufblickte, sah sie einen Mann in der Tür stehen. Es war der Mann mit dem Federhut, der ihr auch schon auf dem Friedhof aufgefallen war.
    Anneke zuckte zusammen. Der Schuldeneintreiber!, schoss es bang durch ihren Verstand und ließ sie vom Stuhl aufspringen. Ihr Herz begann zu rasen und Angst ließ ihre Knie zittern. Was soll ich tun, wenn er mir auch noch die Hütte nimmt?
    »Darf ich eintreten?«, fragte der Fremde, worauf das Huhn laut gackerte. Offenbar war ihm der Mann ebenfalls nicht geheuer.
    Anneke konnte darauf erst einmal nichts sagen. Ihre Kehle war trocken und rau. Sie starrte den Mann an, als sei er der Leibhaftige.
    Der Fremde machte keine Anstalten, näherzukommen.
    »Du bist Anneke, nicht wahr?«, fragte er nach einer Weile und zog seinen Hut vom Kopf. Sein dunkles Haar fiel ihm bis auf die Schultern und war an den Schläfen ebenso grau wie einige Stellen in seinem Spitzbart. Seine Augen waren blau wie der Sund bei schönem Wetter.
    »Ja, die bin ich«, presste sie schließlich hervor und blickte verstohlen nach dem Knüppel neben dem Ofen, den ihre Mutter immer benutzt hatte, um streunende Hunde zu verscheuchen.
    Der Mann drehte den Hut einen Moment lang unschlüssig in seinen behandschuhten Händen und biss auf den Lippen herum.
    Das wunderte Anneke. Schuldeneintreiber waren eigentlich rücksichtslose Männer, die nicht auf der Schwelle stehen blieben. »Was wollt Ihr hier?«, fragte sie.
    »Nun ja, wie soll ich beginnen«, antwortete er ein wenig verlegen. »Mein Name ist Roland Martens, ich bin Kaufmann hier in der Stadt und …« Er stockte kurz. »Es tut mir leid, dass deine Mutter gestorben ist. Ich …«
    »Ihr kanntet sie?«, fragte Anneke verwundert.
    Der Kaufmann nickte seufzend. »Ich kannte sie nicht nur, ich habe sie geliebt.«
    Schweigen folgte seinen Worten.
    Anneke starrte ihn erschrocken an. Was redete er denn da?
    »Ich kann dir ansehen, dass du mir nicht glaubst, aber es ist die Wahrheit«, sagte der Mann.
    »Wenn Ihr sie geliebt habt, warum erscheint Ihr erst jetzt?«, platzte es nun aus Anneke heraus. Wieder stiegen Tränen in ihre Augen. »Deine Mutter wollte nicht, dass ich mich um sie kümmere. Wir haben uns nicht gestritten, aber dennoch …«
    Plötzlich packte Anneke der Zorn.
    »Geht!«, schrie sie den Mann an. »Ich will mich nicht von Euch verspotten lassen!«
    Der Kaufmann seufzte schwer und senkte den Kopf. »Anneke, da gibt es etwas, das du wissen solltest.«
    »Was denn?« Anneke merkte, dass sie zitterte, und überlegte wieder, ob sie den Knüppel holen und auf den Mann einschlagen sollte.
    »Ich bin dein Vater, Anneke.«
    Auf diese Worte folgte eine Stille, die so tief war, dass man in der Ferne das Rauschen des Meeres zu vernehmen meinte.
    Anneke starrte den Fremden an und schüttelte ungläubig den Kopf. Die Tränen in ihren Augen verschleierten seine Gestalt.
    »Ihr lügt! Mein Vater ist …«
    »Tot?«, beendete er den Satz. »Hat sie dir das erzählt?«
    Anneke erstarrte. Hatte ihre Mutter sie belogen?
    »Ich hätte mich so gern um euch gekümmert«, setzte Martens sanft hinzu. »Aber Johanna wollte es nicht zulassen. So habe ich mich zurückgehalten und dich fast fünfzehn Jahre aus der Ferne beobachtet.«
    Anneke wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Ihr Innerstes sträubte sich dagegen, dass ihre Mutter ihr all die Jahre etwas verheimlicht haben sollte.
    Andererseits bemerkte sie selbst in ihrer Wut, dass der Mann aufrichtig wirkte. Wäre er ein Schurke gewesen, hätte er sie längst überwältigen können. Außerdem gab es bei ihnen keine Reichtümer zu holen. Was also sollte er hier wollen, wenn seine Geschichte nicht wahr gewesen wäre?
    »Bitte, lass es mich dir erklären«, flehte er nun. »Ich verstehe, dass du zornig bist. Aber ich möchte dir wirklich nur helfen!«
    Anneke presste die Lippen zusammen und wischte sich die Tränen aus den Augen. Vernunft und Widerwille rangen in ihrem Verstand miteinander, bis Erstere die Oberhand behielt. »Also gut, kommt rein.«
    Beim Eintreten musste sich Roland Martens

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