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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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ein wenig bücken, damit er sich den Kopf nicht am niedrigen Türrahmen anschlug. Sein Blick schweifte sogleich durch den Raum, über den Herd, den Tisch, die Truhe unter dem Fenster und seine Miene wurde traurig.
    »Setzt Euch«, sagte Anneke und deutete auf den zweiten Stuhl am Küchentisch. Mutters Stuhl, ging es ihr durch den Sinn.
    Der Mann legte seinen Federhut ab und zog sich die Handschuhe aus. Seine Finger waren sehr gepflegt und wirkten nicht so, als seien sie es gewohnt, einen Pflug oder eine Waffe zu führen.
    Nachdem er Platz genommen hatte, sagte er ohne Umschweife: »Deine Mutter und ich lernten uns an einem Markttag kennen. Ich hatte gerade das Geschäft meines Vaters übernommen. Ich sah sie an einem Stand, und obwohl ich verheiratet war, zog sie mich in ihren Bann.«
    Ihr wart verheiratet und habt Euch nach einer anderen umgesehen?, wollte Anneke empört rufen, doch sie behielt die Worte für sich.
    »Die Liebe ist schon eine seltsame Sache«, fuhr Martens fort. »Auch Johanna fand Gefallen an mir und wir kamen uns näher. Sie wusste von meiner Ehe, doch es machte ihr nichts aus. Sie verlangte selbst dann nichts von mir, als sie wusste, dass sie dich empfangen hatte.«
    »Hättet Ihr es denn getan?«, fragte Anneke unvermittelt, worauf der Mann wieder den Kopf senkte. Das war Antwort genug.
    »Ich habe alles versucht, um deine Mutter vor Schande zu bewahren und ihr das Leben zu erleichtern. Als man sie wegen Hexerei angezeigt hatte …«
    »Das wart Ihr?«, fragte Anneke und erinnerte sich an die allgemeine Verwunderung, dass Johanna Thießen von heute auf morgen freigelassen worden war. Manche Leute hatten gemunkelt, dass sie freigekauft worden wäre, aber beweisen konnte das niemand.
    Martens nickte. »Das war das Mindeste, das ich tun konnte. Die Ratsherren waren glücklicherweise bestechlich, und es brauchte nur ein Leumundszeugnis von mir, um sie vor der Verhaftung zu bewahren. Als meine Frau dann gestorben war, sprach ich sie wieder auf dem Marktplatz an und bat um eine Unterredung. Ich fragte deine Mutter, ob sie meine Gemahlin werden wollte, doch sie lehnte ab. Sie glaubte, es würde Schande über mich bringen, wenn ich eine Frau heiratete, die allein ein Kind großzog. Sie hatte bei der Geburt angegeben, dass dein Vater ein Soldat gewesen sei, der starb, bevor er sie heiraten konnte. Der wahre Grund war wohl, dass sie mich nicht mehr geliebt hat. Aber ich hatte sie die ganze Zeit über nicht vergessen können. Als ich dann erfuhr, dass sie gestorben war, dachte ich, es zerreißt mir das Herz.«
    Wieder folgte Schweigen seinen Worten.
    Noch nie zuvor war Anneke so verwirrt gewesen. Ihre Hände und Füße fühlten sich eiskalt an, ihre Ohren glühten heiß. Sie weigerte sich, das alles zu glauben, obwohl ihr Herz irgendwie wusste, dass es die Wahrheit war. Viele Eigenheiten ihrer Mutter und andere Kleinigkeiten, die sie kaum beachtet hatte, ergaben plötzlich einen Sinn.
    »Ich möchte dich mitnehmen, Anneke, in mein Haus«, sagte Martens nun. »Deine Mutter war zu stolz, um meine Hilfe anzunehmen, doch jetzt ist sie tot und ich fühle mich verpflichtet, meiner Tochter ein Heim zu geben. Ich werde dich als mein Kind anerkennen und es soll mir egal sein, was die Leute in der Stadt sagen. Was meinst du dazu?«
    Anneke starrte auf die Tischplatte. Die zahlreichen Kerben im Holz stammten von dem Küchenmesser, wenn ihre Mutter Gemüse oder Brot schnitt. Komischerweise erinnerte sie sich daran nun so lebhaft, dass ihr keine Antwort auf Martens' Frage einfiel.
    »Ich weiß nicht …«, entgegnete Anneke zögerlich.
    »Das verstehe ich«, entgegnete der Mann, nicht im Geringsten verärgert. »Erst stirbt deine Mutter plötzlich und dann komme ich und verwirre dich mit Geschichten aus der Vergangenheit …«
    Ehe sie es verhindern konnte, legte er seine Hand auf ihre. Ein sanftes Lächeln huschte über sein Gesicht.
    »Überlege es dir. In meinem Haus hast du nichts zu fürchten. Du bist uns allen willkommen. Außer mir wohnt noch einer meiner Söhne im Haus. Der Älteste ist im Krieg und der Jüngere hilft mir im Kontor. Eine neue Hausherrin gibt es nicht. Nachdem deine Mutter mich abgewiesen hat, habe ich nicht wieder geheiratet. Aber ich habe eine Köchin und eine Kinderfrau, die bislang meinen jüngeren Sohn unterrichtet hat. Sie wird auch deinen Unterricht übernehmen, wenn du das möchtest.«
    »Ich kann bereits lesen und schreiben«, entgegnete Anneke, denn der Kaufmann sollte nicht denken,

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