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Sturmtief

Titel: Sturmtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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hatte. »Unser Toter war starker Raucher. Und hier hat er gearbeitet.«
    »Dann müssten wir mit viel Geduld doch herausbekommen,
woran er gearbeitet hat«, sagte Horstmann.
    Vollmer schüttelte den Kopf und zeigte auf mehrere
lose herumhängende Kabel. »Wo speichert man heute seine Gedanken ab?«
    Der Oberkommissar überlegte einen Moment. »Das gute
alte Notizbuch ist tot. So tot wie Havenstein. Und die Ideen werden
professionell sicher auf einer Festplatte gespeichert.«
    »Gut«, lobte Vollmers seinen Kollegen. »Und? Siehst du
auch nur einen Computer? Ein Notebook? Oder ein anderes Speichermedium?«
    »Nee«, bestätigte Horstmann. »Dann wissen wir, was der
Täter gesucht und auch gefunden hat. Er war hinter Havensteins Aufzeichnungen
her.«
    »Das wird ein dickes Ding«, sagte Vollmers leise, mehr
zu sich selbst.
    * * *
    Der Duft frisch aufgebrühten Kaffees erfüllte den
tristen Büroraum. Hauptkommissar Vollmers stellte die Glaskanne auf die
Kaffeemaschine zurück, die die Fensterbank seines Arbeitszimmers zierte.
    »Milch? Zucker?«, fragte er.
    »Danke. Schwarz«, erwiderte der hochgewachsene Mann
mit den blonden Wuschelhaaren, der ihm gegenübersaß, die Beine
übereinandergeschlagen hatte und an der Tasse nippte.
    »Heiß«, sagte Vollmers.
    »So heiß wie die Geschichte, die Sie mir erzählt
haben«, erwiderte Kriminalrat Dr. Lüder Lüders von der Abteilung 3, dem
Polizeilichen Staatsschutz im Landeskriminalamt Kiel.
    Lüder nippte noch einmal an der Tasse und stellte sie
auf den Schreibtisch zurück. Er hatte bereits in der Vergangenheit mit Vollmers
zusammengearbeitet und war sofort vom Polizeizentrum Eichhof, in dessen zehn
Gebäuden neben dem Landespolizeiamt, der Polizeidirektion Mitte und weiteren
Dienststellen auch das Landeskriminalamt untergebracht war, zur
Bezirkskriminalinspektion in die »Blume« gefahren, wie die Kieler das
altehrwürdige Polizeiquartier in der Blumenstraße nannten. Von dort führte ein
Fußsteig namens »Beamtenlaufbahn« zum »Kleinen Kiel«, einem See in der
Innenstadt.
    »Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie von einem kaltblütigen
Profikiller ausgehen, der ohne Rücksicht auf Zeugen mordet. Der zweite Schuss,
der auf das Herz abgegeben wurde, um absolut sicherzugehen, dass das Opfer
nicht überlebt, zeugt ebenfalls davon. Dazu passt auch das brutale Vorgehen
gegenüber der betagten Nachbarin.«
    Vollmers nickte. »Um die alte Dame tut es mir leid.
Elisabeth Vorderwühlbecke ist vierundachtzig Jahre. Sie hat ihren Haushalt
allein versorgt und war von einer außergewöhnlichen geistigen Frische, wie uns
Mitbewohner versichert haben. Jetzt liegt sie mit einer Gehirnerschütterung,
zahlreichen Prellungen und einem Oberschenkelhalsbruch im Kreiskrankenhaus in
der Schleswiger Straße. Selbst wenn man den psychischen Schaden, den diese
Gewalttat ausgelöst hat, unberücksichtigt lässt, dürfte Frau Vorderwühlbecke
ein Pflegefall werden.« Vollmers drehte die Hand im Gelenk. »Wenn wir nicht
sogar mit schlimmeren Folgen rechnen müssen.«
    Lüder versuchte erneut, einen Schluck Kaffee zu
trinken. Das schwarze Gebräu war immer noch heiß, aber es gelang ihm, ein wenig
davon hinunterzuschlucken. »Die Bücher, die das Opfer bestellt hatte, könnten
Rückschlüsse darauf zulassen, womit sich Robert Havenstein beschäftigt hat. Das
Kernkraftwerk Krümmel ist seit Langem ein Thema, das durch die Medien geistert.
Und seit 1989 tauchen immer wieder Vermutungen auf, dass die erhöhte Anzahl an
Leukämieerkrankungen von Kindern im Umfeld des Atommeilers in einem
Zusammenhang mit diesem stehen könnte.«
    »Dazu kann ich nichts sagen. In Verbindung mit der
Ermordung Havensteins halte ich es aber für eine sehr gewagte These«, gab
Vollmers zu bedenken und zog die Stirn kraus. »Es gibt erhitzte Diskussionen
für und wider die Atomkraft, aber dass eine der beteiligten Seiten einen
Profikiller auf einen Journalisten ansetzt, der zu diesem Fall recherchiert,
kann ich mir kaum vorstellen.«
    Lüder nickte versonnen. »Ich teile Ihre Bedenken. Wir
haben aber schon oft erlebt, dass sich hinter den Kulissen Dinge abspielen, die
wir uns in unseren kühnsten Vorstellungen nicht haben träumen lassen. Ich danke
Ihnen jedenfalls, dass Sie mich informiert haben.«
    »Wollen Sie sich einschalten?«, fragte Vollmers. In
seiner Stimme schwang ein leichter Unterton mit. Lüder verstand den
Hauptkommissar. Kein engagierter Kriminalbeamter lässt sich gern einen Fall
entziehen, mag er noch so

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