Sturmtief
überzogener
Freundlichkeit.
Lüder ließ den Gruß unerwidert. »Es geht um die
Ermordung des Journalisten Robert Havenstein.«
»Was wissen Sie darüber?«
Lüder berichtete das, was ihm bekannt war. »In diesem
Zusammenhang gibt es eine Reihe von Merkwürdigkeiten, die den Schluss zulassen
würden, dass dem Mord politische Motive zugrunde liegen. Das Ganze sieht wie
ein Attentat aus.«
Der Kriminaldirektor lächelte. Er unternahm gar nicht
den Versuch, den zynischen Zug um seine Mundwinkel zu unterdrücken. »Weil der
Täter sich einer ungewöhnlichen Vorgehensweise bedient hat, vermuten Sie schon
wieder einen Anschlag auf die Sicherheit der Bundesrepublik. Nein, Herr Lüders,
da geht Ihre Phantasie wieder mit Ihnen durch.«
»Wir kennen solche Mordanschläge aus dem Ostblock. In
Russland sind kritische Journalisten in ähnlicher Weise auf offener Straße
erschossen worden.«
Dr. Starke nickte geistesabwesend, als würden ihn
Lüders Argumente gar nicht erreichen. »Anna Politkowskaja«, sagte er.
»Die nicht das einzige Opfer war.«
Der Kriminaldirektor sah Lüder mit einem
durchdringenden Blick an. »Ich bin über den Vorgang informiert.« Dr. Starke
zeigte andeutungsweise auf sein Telefon. »Vor zehn Minuten habe ich mit
Oberstaatsanwalt Brechmann gesprochen. Wir sind uns in der Einschätzung des
Falles einig.«
»Das heißt, wir nehmen die Ermittlungen auf«, sagte
Lüder und ärgerte sich sogleich, weil er spontan war und zu deutlich erkennen
ließ, dass er sich für den Fall interessierte.
Dr. Starke spitzte die Lippen. »Sie sind hinreichend
beschäftigt. Ich darf Sie daran erinnern, dass ich vor zwei Wochen mit Ihnen
ein Dienstgespräch geführt habe, weil ich mit der Art Ihrer Amtsführung nicht
übereinstimme. Ich glaube Ihnen deutlich aufgezeigt zu haben, dass ich
Schwächen in Ihrer Arbeit erkenne. Daran sollten Sie arbeiten, lieber Lüders.
Schließlich haben Sie noch viele Jahre Dienst in der Behörde vor sich.«
Das war die Antwort auf Lüders Drohung, Dr. Starkes
Geheimnis preiszugeben. Der Vorgesetzte konnte ihn fachlich mobben. Und von
dieser Möglichkeit machte der Kriminaldirektor reichlich Gebrauch.
»Was haben Sie mit dem Staatsanwalt besprochen?«,
unternahm Lüder dennoch einen weiteren Versuch.
Der Kriminaldirektor lehnte sich in seinem Bürostuhl
zurück. »Da Sie nicht mit dem Fall betraut sind, werde ich es mir sparen, Sie
in die Einzelheiten einzuweihen. Die Entscheidung, wer in dieser Abteilung mit
welcher Aufgabe betraut wird, treffe ich. Stimmen Sie dem zu?«
Lüder war für einen Moment versucht, Dr. Starke zu
widersprechen und seine eigenen Vorstellungen vorzutragen. Doch er nahm davon
Abstand. Er durfte sein Wissen um bestimmte Vorgänge aus der Vergangenheit des
Kriminaldirektors nicht zu oft einsetzen. Deshalb stand er auf und sagte: »Sie
hören von mir.«
»Da können Sie sicher sein«, hörte er seinen
Vorgesetzten ihm hinterherrufen. »Und zwar regelmäßig. Immer dann, wenn Sie
über den Arbeitsfortschritt berichten werden.«
Lüder war verärgert. Seitdem Jochen Nathusius die
Leitung der Abteilung abgegeben und als Nachfolger von Polizeidirektor Grothe die
Führung der Polizeidirektion Husum übernommen hatte, war die Stimmung unter den
Mitarbeitern im Polizeilichen Staatsschutz auf dem Gefrierpunkt. Der
»Scheiß-Starke«, wie Große Jäger aus Husum den Kriminaldirektor nannte, hatte
es durch seine Art der Personalführung verstanden, das Klima in der Abteilung
arg zu verschlechtern. In Gedanken versunken ging Lüder über den Flur und
bemerkte erst im letzten Moment seinen Kollegen, der ihm freundlich einen guten
Tag gewünscht hatte.
»Entschuldigung, Herr Gärtner, ich habe Sie nicht
bemerkt«, bat Lüder um Verzeihung.
Der weißhaarige Kriminaloberrat nickte versonnen. »Ich
sehe es Ihnen an, Herr Lüders. Sie waren gerade beim Boss.«
»Ich weigere mich, den Menschen Chef zu nennen«,
erwiderte Lüder, »obwohl es keinen Zweifel daran gibt, dass er unser
Dienstvorgesetzter ist.«
»Gehen wir zusammen zum Mittag?«, fragte Gärtner
versöhnlich.
Lüder nickte.
»Gern.« Dann kehrte er in sein Büro zurück. Entgegen
der Weisung Dr. Starkes rief er zunächst in der Rechtsmedizin an.
»Ich habe davon gehört. Der Fall kommt, wenn alles gut
geht, heute Nachmittag auf meinen Tisch«, sagte der Pathologe. »Ich kann Ihnen
versichern, dass die Kühlung funktioniert. Von uns hören Sie keine schlechten
Nachrichten wie jene, in denen von
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