Sturmwelten 01
Sturmwelt-Flotte und sicherster Aspirant auf den nächsten freien Posten im Stab der Admiralität.
Als der grauhaarige Mann sich zu ihnen umdrehte, erhellte ein Lächeln sein kantiges Gesicht. Der herrschenden Mode nach trug er sein Haar gerade lang genug für einen Zopf, hatte sich dazu jedoch breite, buschige Koteletten stehen lassen. »Ah, Harfell, welch eine Freude, Sie hier zu sehen. Wir können Kapitäne wie Sie wahrlich gut gebrauchen, hier weitab von aller Zivilisation«, erklärte der Admiral, während seine Untergebenen salutierten.
»Die Freude ist ganz meinerseits, Thay. Als ich in meine Order blickte, war mir natürlich bewusst, dass ich wieder unter Ihnen fahren würde.«
»Ja, ich habe Sie rufen lassen. Es kann nicht sein, dass eine wichtige Flotte wie die meine nur den Ausschuss der Marine erhält – ich brauche Kapitäne, die etwas vom Kriegshandwerk verstehen.«
»Aye, ich bin nur allzu bereit, wieder in den Krieg zu ziehen«, erklärte Harfell und grinste dabei breit. Sein Gegenüber nickte zufrieden und schlug dem Kapitän auf die Schulter.
»Einen Portwein? Oder trinken Sie lieber Brandy? Sind das alle Ihre Offiziere?«
»Brandy, wenn es recht ist, Thay. Nein, mein Erster Offizier schlägt sich derweil mit den Bürokraten im Hafen herum. Das sind Leutnant Hugham und Leutnant Hedyn.«
»Was darf ich Ihnen anbieten, meine Damen?«, fragte der Admiral, und Roxane runzelte die Stirn. Zwei examinierte Leutnants im Dienst sind wohl kaum Damen , dachte sie entrüstet, sagte aber lediglich: »Portwein, Thay.«
Hugham, die noch nichts gesagt hatte, wurde von ihm mit einem siegessicheren »Für Sie auch« bedacht.
Wie aus dem Nichts öffnete sich zu ihrer Linken eine Tür, und ein dunkelhäutiger Mann in einer strahlend weißen Uniform betrat mit einem Tablett in der Hand den Raum.
»Zwei Brandys. Und zwei Ports für die Damen«, wies Admiral Holt ihn an, nahm sein Glas in Empfang und hob es hoch.
»Auf Königin Morwey, möge sie noch lange leben!«
»Auf die Königin«, wiederholten die anderen seinen Toast und tranken. Der Port war exzellent, aber das überraschte Roxane nicht. Dem Admiral stand ein Anteil an jeder Prise seiner Flotte zu, und somit würde er wohl alles zur Verfügung haben, wonach ihm der Sinn stand.
»Verfluchte Papierschubser«, erklärte Holt unvermittelt und stellte sein Glas heftig auf dem dunklen Holz des Tisches ab. »Man kann keinen Piraten mehr an der Rah aufknüpfen, ohne vorher ein halbes Dutzend Dokumente unterzeichnet zu haben. Schreiber, Kopisten, Notare, alle haben sie Tinte statt Blut in den Adern und lassen unsere Schiffe ohne Munition verrecken, wenn denn das Anforderungsformular nicht ordentlich ausgefüllt ist!«
»Wie wahr«, entgegnete Harfell mit einem Seufzen. »Manchmal könnte man fast denken, die Bürokraten kümmere der Krieg gar nicht. Verdammte, tintenblütige Kastraten!«
Diese Bemerkung ließ Roxane zusammenzucken, und beinahe hätte sie sich an ihrem Portwein verschluckt. Ein solcher Vorwurf würde schwer wiegen; in Zeiten des Krieges gab es für Verrat oder auch nur für die Nichterfüllung der Pflicht lediglich eine Strafe: den Tod. Aber der Admiral nickte nur zustimmend.
»Ich könnte wetten, dass dieser Unsinn zu Königin Leofwyns Zeiten begonnen hat. Wenig Gutes stammt aus diesen Jahren«, erklärte er und warf einen finsteren Blick auf Hugham und Roxane. Sofort wurde der jungen Offizierin heiß, und ihr stieg die Röte ins Gesicht. Königin Leofwyn hatte in der dunkelsten Stunde der Thayns, als die vereinigten Flotten Géronays und Hiscadis schon auf Thaynric zuhielten, die Reihen von Armee und Marine für Frauen geöffnet und die drohende Niederlage und Unterwerfung der stolzen Inseln so abgewendet, nicht unbedingt zur Freude aller männlichen Offiziere. Der Kommentar aus dem Munde des Admirals konnte nur gegen dieses Vorgehen gemünzt sein.
Unsicher, ob sie protestieren sollte, blickte Roxane zu Leutnant Hugham, an deren finsterer Miene sie erkennen konnte, dass die Bemerkung an ihr ebenfalls nicht spurlos vorübergegangen war.
»Wie dem auch sei«, fuhr Holt fort. »Wir haben Wichtigeres zu besprechen. Ich brauche Sie auf See, Oric. Sie und die Mantikor . Es kam eine Depesche der Admiralität, über die geheimsten und schnellsten Wege, und ich habe klare Anweisungen. Sie wissen, wie selten wir Arsanum einsetzen, um Befehle zu übermitteln; ich denke, Sie können abschätzen, wie wichtig es unseren Befehlshabern sein
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