Sturmwelten 01
eine Schaluppe hier, die ein Auge auf die Insel hält. Sollte unsere Beute wider Erwarten ablegen, werden sie es uns melden. Dann können wir immer noch versuchen, die Fregatte einzuholen und auf dem offenen Meer zu stellen.«
»Wenn sie vorher segeln, werden sie wegen der beschädigten Masten langsam sein.«
»Exakt. Und Tareisa ist sicher, dass sie Kurs auf Corbane nehmen werden.«
»Genauer gesagt, werden sie Thaynric ansteuern.«
»Bei den vorherrschenden Winden bleiben nur wenige Möglichkeiten, einen Kurs zu setzen.«
»Das könnte funktionieren«, erklärte Pertiz abwägend. »Sie müssten Ostnordost steuern. Wenn wir selbst den Kurs setzen, dürften wir sie kaum verpassen. Und wen willst du in Brebant anheuern?«
»Optimal, Freund Pertiz, wäre noch ein Schiff mit einer Besatzung, die sich nicht scheut, sich für gutes Gold die Hände schmutzig zu machen. Ansonsten nehmen wir an Bord, wen wir kriegen können. Unsere beste Möglichkeit ist, die Schiffe so schnell wie möglich zu entern. Wenn wir längsseits gehen, kann die Festung nicht mehr auf uns feuern, ohne ihre eigenen Schiffe zu gefährden. Und wir können unsere Trumpfkarte ausspielen: mehr kampfeslustige, wilde Piraten, als man zählen kann!«
Alle lachten. Nur Sinosh zischte leise. Jaquento wollte die Echse beruhigen und legte ihr die Hand auf den Leib. Er folgte ihren Augen und sah, dass Deguay und Tareisa sich lächelnd anschauten. Doch bevor er länger über diesen nur allzu vertraut wirkenden Blick nachgrübeln konnte, rief der Kapitän: »Genug geredet, das macht so furchtbar durstig! Lassen wir auftischen!«
»Ich kehre besser zur Windreiter zurück und lasse Kurs auf Brebant setzen«, widersprach Pertiz, »die Zeit ist kostbar.«
»Natürlich, du Spielverderber. Kommst du bis Brebant alleine klar? Dann können deine Offiziere wenigstens feiern.«
»Ich nehme Jaquento mit. Der Rest kann bleiben, allerdings unter einer Bedingung«, erklärte Pertiz: »Sauft einen für uns mit!«
Unter Hochrufen verließen sie die Kajüte und kehrten an Deck zurück. Die beiden Schiffe lagen ab vom Wind, mit gerefften Segeln, und die Masten warfen in der Abendsonne lange Schatten. Schon bald würde es dunkel werden. Der Koch hatte Abfälle über Bord geworfen, und auf der Wasseroberfläche balgten sich einige Möwen um die Überreste. Ihre wütenden Schreie waren durchdringend.
»Dass ihnen Abfall so wertvoll ist, dass sie sich darum schlagen«, grübelte Pertiz, während er die Besatzung des Beiboots zusammenwinkte.
»Eines Menschen Abfälle mögen eines anderen Menschen Schätze sein«, erwiderte Jaquento halb in Gedanken versunken.
»Sehr philosophisch«, kommentierte Pertiz. »Hast du Tareisa und Rénand gesehen?«
»Ja. Zwischen den beiden geht etwas vor. Eine Affäre vielleicht?«
»Möglich. Rénand kann sehr einnehmend sein. Sowohl gegenüber seiner Mannschaft als auch gegenüber den Damen. Und ich will von allen Daemonen verflucht sein, wenn ich eine Frau wie Tareisa aus meiner Hängematte werfen würde.« Pertiz grinste anzüglich. »Vielleicht ist es aber auch etwas anderes. Seit wir in der Bucht waren, gefällt mir die ganze Sache immer weniger. Diese schwarze Fregatte … Mir ist einfach nicht wohl dabei. Irgendetwas ist damit nicht in Ordnung, das spüre ich bis in die Knochen.«
FRANIGO
Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass sich der Poet sprachlos fühlte. Es war, als hätte man ihm eine Klinge in die Brust gestoßen, und nun rann sein Leben aus der offenen Wunde. Seine Hand zitterte, als er das Papier anklagend hob.
»Was?«
Sein Gefühlsausbruch donnerte durch den Raum. Die Indifferenz, welche Yuone ausstrahlte, fachte seinen Zorn nur weiter an, bis er sich wie ein brodelnder Vulkan fühlte, der bald ausbrechen und ganze Städte unter seiner Wut begraben würde.
»Gib nicht so viel darauf«, sagte Yuone neckend, wohl wissend, dass ihn diese Worte weiter reizen würden.
»Gib nicht so viel darauf? Was soll ich tun, deiner werten Meinung nach? Es ignorieren?«
»Zum Beispiel. Oder freu dich einfach. Hauptsache …«
»Freuen!« Er wusste, dass seine Stimme sich überschlug und dass er vermutlich gerade nicht die beste Figur abgab, mit hochrotem Kopf im Morgenmantel, die Zeitung hoch erhoben wie eine zum Stoß bereite Klinge. »Freuen!«
»Nur die wenigsten Dichter werden überhaupt erwähnt.«
»Oh! Das adelt mich!«, spie er hervor. »Warte, hier«, erklärte er, senkte die Zeitung und suchte nach den skandalösen
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