Sturmwelten 01
Freiheit«, erwiderte der Alte, als sein Husten verstummte. »Und ich traue den Blassnasen nicht. Vielleicht ist es eine Falle Tangyes. Er hat eine Niederlage erlitten. Das könnte seine Vergeltung sein.«
»Nein, nicht Tangye. Das … passt nicht zu ihm. Er würde mich einfach aufhängen, wenn es ihm gefällt.«
»Du bist noch nicht lange hier. Er kann eine hinterhältige Schlange sein.«
»Warum sollte er uns nicht einfach peitschen, bis wir die Wahrheit sagen?«
»Seine Drohung hat nichts gebracht. Erinnerst du dich nicht?«
Darüber musste Majagua nachdenken. Vielleicht hatten sie Tangyes Pläne durchkreuzt. Nichtsdestotrotz hatte der Aufseher sie immer noch vollständig in seiner Gewalt. Er konnte mit ihnen tun, was er wollte. Er hatte keinen Bedarf an solchen Spielchen.
»Vertrau den Blassnasen nicht. Vertrau nur dir selbst!«, warnte Dagüey, und Majagua zuckte hilflos mit den Schultern.
Die dunklen Gedanken und Zweifel begleiteten Majagua bis zur Nacht, als sich erneut die Ältesten und die Krieger des Lagers trafen. Aus Rücksicht auf Dagüey hatten sie heute seine Hütte für das Treffen ausgewählt, sodass er nicht durch das Lager schleichen musste.
Als sich alle eingefunden hatten, deren Meinung gehört werden musste, begann Majagua: »Ich kenne und ehre meinen Großvater«, und blickte dann langsam in die Runde. Er ließ seine Augen von einem zum anderen wandern und sah zum Schluss Bara an, der leicht nickte.
»Alle wissen, was der Fremde gesagt hat?«
Zustimmendes Gemurmel ertönte.
»Ich spreche als Erster und sage, dass ich sein Angebot annehmen will. So müssen wir nicht lernen, eines der großen Schiffe zu fahren, und wir müssen nicht gegen alle Aufseher und Soldaten kämpfen, wenn wir es tun. Außerdem wird es bald geschehen, und je eher wir Hequia verlassen, desto besser.«
Wieder nickten viele, und Bara schlug sich mit der flachen Hand vor die breite Brust: »Mein Herz stimmt Majagua zu. Der Fremde hat wahr gesprochen!«
Die zeremoniellen Worte, wie auf einem Kriegsrat der Ahnen gesprochen, verfehlten ihre Wirkung nicht. Viele der Sklaven vertrauten Bara und folgten seiner Meinung. Majagua sah in die Runde und ahnte, dass diese Schlacht bereits gewonnen war. Die Aussicht auf eine baldige Flucht, unterstützt von Männern mit Musketen und Schiffen, überzeugte alle.
»Ich denke, es ist ein Fehler«, mischte sich Dagüey da jedoch überraschend ein. »Wir dürfen den Blassnasen nicht trauen. Keinem von ihnen. Habt ihr das alle vergessen?«
Erstaunt schwieg Majagua, und auch sonst antwortete niemand. Mit einem Widerspruch des alten Sklaven hatte der junge Paranao nicht gerechnet, und er war viel zu schockiert, um darauf antworten zu können.
Bara indes machte eine wegwerfende Handbewegung und schnaubte: »Weniger Angst, alter Mann. Diese Leute sind nicht von der Compagnie.«
»Woher weißt du das? Hat Tangye uns nicht schon früher getäuscht? Liebt er es nicht, uns Dinge vorzugaukeln?«
»Hätte er uns dann nicht schon längst holen lassen?«, fragte Majagua. »Der Fremde hat uns alle gesehen und uns alle gehört. Wenn er ein Freund Tangyes wäre, dann würden wir doch schon an den Balken baumeln!«
»Sieh mich an«, forderte Dagüey. »Was siehst du?«
»Einen alten, furchtsamen Mann«, antwortete Bara ungerührt.
»Nicht, was du weißt, sondern was du siehst, sollst du mir sagen, du Maniokschädel!«
»Ich sehe …«, begann Majagua, verstummte dann aber. Im Schatten der Hütte sah er wenig mehr als einen dunklen Umriss, eine schattige Gestalt unter vielen. Er hätte nicht sagen können, ob es ein alter oder ein junger Mann war, ja nicht einmal, ob ein Mann oder eine Frau vor ihm saß. Nur weil er Dagüey kannte, konnte er seiner Stimme ein Bild zuordnen.
»Ich verstehe, was du meinst«, flüsterte der junge Paranao. »Der Fremde hat uns nicht gesehen. Und wir haben nur eine weitere Blassnase gesehen, die mit glatter Zunge zu uns sprach.«
»Es ist eine Falle, in die uns Tangye locken will. Wenn wir hineintappen, werden wir alle sterben, und das Lager wird ohne Führung sein.«
»Ich glaube das nicht«, beschied Bara mit fester Stimme. Und auch wenn Majagua die Ängste des Alten verstand, musste er dem Krieger zustimmen: »Ich auch nicht. Es ist zu … ich weiß nicht. Die Aufseher müssen keine so komplizierten Pläne schmieden. Sie können uns einfach mitnehmen und aufhängen, wie sie es immer tun. Tangye hält sich nicht mit solchen Umwegen auf.«
Gedankenverloren
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