Sturmwelten 01
Worten.
»An einigen Stellen ist die Sprache holprig«, zitierte er den Artikel. »Holprig!«
»Aber alles in allem sagt Cidoq doch, dass dein Stück ein großes Werk ist. Einige Mängel …«
»Mängel!«
»Würdest du bitte damit aufhören, meine Worte derart laut zu wiederholen? Man könnte denken, du äffst mich nach«, tadelte sie sanft.
Ihr ironischer Tonfall und die leicht angehobene Braue hatten eine beruhigende Wirkung auf Franigo, und aus dem Vulkan wurde eine bloße Gewitterfront am Horizont. Grimmig schnürte er seinen Mantel, um seine Blöße zu bedecken. Die Kritik an seinem Werk war eine bodenlose Frechheit. Auch wenn der Tenor der Besprechung sicherlich lobend war, gab es doch negative Aspekte, deren Erwähnung Franigo umso mehr schmerzte, da er sie nachvollziehen konnte.
»Nennt er dich nicht den frischen Wind des Theaters?«, erkundigte sich Yuone und biss genüsslich in das Butterhörnchen, das sie dick mit Honig bestrichen hatte. Ein Tropfen der zähen Flüssigkeit fiel auf ihre Brust herab, und für einige Herzschläge war der Poet abgelenkt. Dann musste er missmutig nicken.
»Und wünscht er nicht, dass dieses Schauspiel an mehr Bühnen des Landes gespielt wird?«
»Auch das, auch das«, knurrte Franigo. »Aber hier: Gerade an der Schnittkante zwischen Alt und Neu entpuppt sich das Stück als zu gewollt . Zu gewollt?«
Statt zu antworten, trank die Schauspielerin nur einen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht ob der exquisiten Bitterkeit des Getränks.
Unruhig ging Franigo im Raum auf und ab. Er hatte keinen Blick mehr für die Schönheit seiner Umgebung, konnte sich nicht mehr an seinem eigenen – wenn auch vorerst nur geliehenen – Reichtum erfreuen. Die Worte des Kritikers nagten an seiner Seele, und irgendwie gelang es ihnen, ihn kleiner zu machen, unbedeutender. Tief unten, wo ein Mann seine Gedanken vor sich selbst verbarg, weil man sich ihrer schämte, dort, wo im finsteren Morast der Seele die Moorleichen lauerten, die man für immer versenken wollte, erhob sich ein Gedanke wie Faulgas, stinkend, hinterhältig, gefährlich: Was, wenn Cidoq recht hat? Du hast es selbst schon gedacht, Franigo. Er hat nur den Finger auf die schwärenden Wunden gelegt, welche dein Werk bedecken wie Beulen einen Pestkranken.
Geistesabwesend machte sich der Poet eine Notiz, denn das Bild mit den Wunden und Beulen gefiel ihm, und er wollte es im nächsten Stück verwenden. Dann blickte er Yuone an. Es gab nur eines zu tun.
»Ich werde ihn zu einem Duell mit der Klinge fordern.«
Jetzt lachte die Schauspielerin laut heraus, was Franigo zuerst verblüffte und dann ungemein erboste.
»Was ist denn nun schon wieder so erheiternd?«
»Cidoq ist über siebzig Jahre alt, halb blind, hat Rheuma und einen großen Kugelbauch«, erklärte sie und machte im Bett kniend derart überzeugend einen alten, dicken Mann nach, dass Franigo kurzzeitig bereit war, seine Einschätzung ihrer Schauspielkunst zu überdenken.
»Du meinst, Pistolen wären besser?«
»Ich meine, dass du dich zum Gespött machst, wenn du Cidoq forderst. Beruhige dich. Seine Kritik ist gut. Komm her, ich bringe dich auf andere Gedanken.«
Ihr laszives Lächeln erregte ihn, aber er wandte sich ab.
»Nein! Wie kannst du in einer so finsteren Stunde auch nur daran denken, der Wollust zu frönen?«
»Oh, das geht ganz einfach. Ich habe gelernt, dass es nur wenig gibt, was man nicht im Bett vergessen kann. Eigentlich gar nichts.«
»Ich kann nicht«, widersetzte sich Franigo, doch sein Widerstand begann bereits zu schwinden.
»Dein Schwanz sagt etwas anderes … oh, schau, ich habe dich mit Honig bekleckert.«
Wie hypnotisiert folgten Franigos Blicke ihren Bewegungen, bis er sich ihr schließlich ergab.
ROXANE
So würdevoll wie möglich schritten die drei Leutnants in die Kajüte des Kapitäns, und bevor er die Tür hinter sich schloss, wies Cearl die Wache vor der Tür noch an: »Ich möchte nur in wirklichen Notfällen gestört werden, Soldat.«
»Ja, Thay.«
Ohne ein weiteres Wort gesellte sich der Erste Offizier, der nun der Kommandant des Schiffes war, zu Roxane und Aella, die am Tisch des Kapitäns Platz genommen hatten. Langsam nahm er den Zweispitz ab, strich sich seinen Uniformrock glatt und setzte sich. Es dauerte einen Moment, bis er mit der Anordnung von Zweispitz und Karten auf dem Tisch zufrieden schien; einen Moment, in dem Roxane vor Ungeduld auf ihrem Stuhl hin und her rutschte.
»Cearl, was ist geschehen?«,
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