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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Zwischen diesen winzigen Inseln wird reger Handel getrieben. Viele Augen sehen einfach mehr.«
    »Es freut mich, dass mein Vorschlag Ihre Zustimmung findet, Kapitän«, antwortete Roxane ruhig. Cearls Gesicht erhellte sich deutlich, und zum ersten Mal seit Stunden glätteten sich die Sorgenfalten auf seiner Stirn etwas.
    »Ich werde einen Kurs zum nächsten Hafen planen, und von dort aus sehen wir weiter. Aella, Sie übernehmen die Wache. Denken Sie daran: Bleiben Sie ruhig, und lassen Sie sich Ihre Sorgen nicht anmerken.«
    »Hören Sie auf, mich nicht für voll zu nehmen, Cearl. Wir haben wohl kaum eine Wahl, nicht wahr?«
    »Nein, haben wir nicht. Aella?«
    »Ja?«
    »Danke.«
    Sie warf ihm ein flüchtiges Lächeln zu und verließ die Kajüte. Auch Roxane erhob sich und nahm Haltung an.
    »Gute Arbeit, Thay«, erklärte sie und salutierte.
    »Danke, Leutnant.«
    »Ich werde jetzt nach dem Kapitän sehen.«
    Sie wollte sich gerade umdrehen, als Cearl flüsterte: »Ich habe ihn umgebracht.«
    Seine Blicke waren ein inständiges Flehen, ihm zu glauben. Er suchte nach Absolution von der Schuld, die er, vermeintlich oder wahrhaftig, auf sich geladen hatte.
    »Nein. Es war ein Unfall«, entgegnete Roxane so fest wie möglich, doch sie sah, dass diese Worte ihm keine Erleichterung verschafften.
    »Natürlich. Ein Unfall«, echote er, wenig überzeugt.
    »Wir werden diese Fahrt schon überstehen. Und irgendwann sitzen wir zusammen in einer Taverne in Heymoss, trinken gutes thaynrisches Ale, und all das wird nicht mehr als eine ferne Erinnerung sein, Cearl.«
    Wenn ich bloß selbst daran glauben könnte, dachte die junge Offizierin eingedenk des Leids und der Angst, die von ihnen allen Besitz ergriffen hatten. Der Kapitän kämpfte um sein Leben, sie selbst hatte Schuld auf sich geladen und sah einer ungewissen Zukunft entgegen. Im Augenblick erschien ihr der Hafen von Heymoss mit seinen Kais, Werften und Spelunken in unerreichbare Ferne gerückt.
    »Ich sollte den Kurs festlegen.«
    »Ja, Thay. Ich schaue nach Harfell … Kapitän.«
    Dankbar blickte er sie an, und sie salutierte erneut, bevor sie den Raum verließ.
    Der Weg zum Schiffslazarett führte sie quer durch das Geschützdeck. Die meisten Seeleute waren an Deck, da der Wind und die frische Luft angenehmer waren als die stickige Enge unter Deck, doch andere schliefen in ihren Kojen oder saßen in kleinen Gruppen an den Tischen zwischen den Achtzehnpfündern. Im Gehen nickte Roxane einigen zu, die sie als vertrauenswürdig einschätzte, um die Stimmung anzuheben, doch sie konnte nicht umhin, die finsteren Blicke und das Getuschel der Mannschaft zu bemerken.
    Unvermittelt trat ihr jemand in den Weg, der bislang hinter einer Hängematte verborgen gestanden hatte. Erstaunt erkannte die junge Offizierin Hoare, der von einer Handvoll Matrosen begleitet wurde. Mit einem mulmigen Gefühl blickte sie sich um und bemerkte, dass überall um sie herum Seeleute aufgestanden waren und sich nun um sie scharten.
    »Auf ein Wort, Thay«, begann Hoare und trat unangenehm nah an Roxane heran, die ihn anfunkelte.
    »Was gibt es, Seemann?«
    »Der Kapitän. Wie geht es ihm?
    Roxane presste die Lippen aufeinander. Sie war dem Mann keine Rechenschaft schuldig. Aber wie würde es aussehen, wenn sie ihm das sagte?
    »Ihre Sorge ehrt Sie, Mr. Hoare«, begann sie langsam. »Es geht Kapitän Harfell nicht sehr gut. Doktor Tabard und Maestre Groferton tun ihr Möglichstes, aber die Wunde ist tief und sitzt an einer gefährlichen Stelle.«
    »Und die Suche nach dem Mörder?«
    Die Frage raubte Roxane für einen Herzschlag den Atem, und sie musste sich erst wieder sammeln, bevor sie kühl antworten konnte: »Mörder? Wer spricht von Mord, Seemann?«
    »Ich … Thay.«
    Sie spürte, dass dieser Moment entscheidend war. Jedes Zögern würde die Mannschaft gegen sie aufbringen, die aufgeladene Situation entzünden wie ein Funke ein Pulverfass.
    »Bislang haben wir keinen Hinweis auf einen Angriff. Der Kapitän war allein, und wir haben im Laderaum niemanden gefunden, obwohl er peinlichst genau durchsucht wurde. Nicht einmal eine Ratte hätte sich dort verbergen können. Wenn Sie Beweise haben, die etwas anderes andeuten, dann nur heraus damit.«
    »Ratten? Der Kapitän schießt sich doch nicht in die eigene Brust. Da is’ was faul!«
    Zustimmendes Gemurmel ließ Roxanes Mut sinken. Wer konnte wissen, wie lange Hoare diese Leute schon bearbeitet

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