Sturmwelten 01
die Arbeit an den Kanonen behindern konnte, wurde tiefer in den Rumpf des Schiffes geschafft. Munition wurde aus den Lagern geholt und an den Kanonen verteilt. Zusätzlich zu den Kugeln, die ohnehin immer in den Vertiefungen auf Deck lagen, wurde die Spezialmunition nach oben gebracht – Kettenkugeln zur Zerstörung der Takelage, Kartätschen für den Fangschuss auf kurze Distanz gegen die feindliche Mannschaft. Eine feine Ansammlung von Tod und Zerstörung wurde sauber neben den Geschützen aufgereiht. Genug vermutlich für zwei oder drei Gefechte, aber die Königlich-Thaynrische Marine war in diesen Dingen niemals knauserig gewesen.
Roxane beaufsichtigte den Abbau der Offizierskammern persönlich. Die hölzernen Trennwände wurden entfernt und in den Laderaum gebracht, ebenso die persönlichen Besitztümer und Möbel der Offiziere. Selbst die Kapitänskajüte wurde leer geräumt, der Teppich und die Möbel, ja selbst die gläsernen Fensterscheiben in ihren herausnehmbaren Rahmen sorgfältig auf dem nicht durchgängigen Orlopdeck verstaut, wo sie vor den Kugeln der Feinde sicher sein würden. Dort räumte die Schiffsärztin auch einen Bereich frei, in dem sie die Verwundeten versorgen und operieren konnte. Sorgfältig rollte sie ihre Instrumententasche auf, legte Sägen und Haken bereit und ließ sich Eimer für die amputierten Gliedmaßen bringen. Der Anblick der grausam wirkenden Werkzeuge erinnerte Roxane wieder daran, dass über ihnen allen der Tod schwebte. Tabards Gehilfen brachten Tücher und streuten Sand auf dem Boden aus, damit das Blut ihn nicht allzu rutschig machte.
Auch auf dem Geschützdeck wurde Sand auf die Planken gestreut, und die ersten Pulverkartuschen wurden in den dafür vorgesehenen verstärkten Eimern von den Pulveräffchen heraufgebracht, und die Kanonen wurden geladen. Langsam schritt Roxane die Reihen der Geschütze ab und inspizierte jede einzelne, während die sechs Seeleute, die je eine Kanonenmannschaft bildeten, Haltung annahmen. Pulverkartusche, Pfropfen, Kugeln, Ladepfropfen – die Reihenfolge war genau vorgeschrieben, und im Gefecht war ihre Einhaltung essenziell. Eine schlecht geladene Kanone konnte zu früh zünden oder Ladehemmung haben und so die Geschützmannschaft und sogar das ganze Schiff in Gefahr bringen. Da sie noch nicht sagen konnte, auf welcher Seite das Gefecht begonnen würde, beließ Roxane die Mannschaften bei ihren jeweiligen Geschützen. In der Schlacht konnte dann immer noch eine Seite der anderen aushelfen, wenn sich bei ihnen keine Ziele boten.
Ihre Sorgen waren für den Moment vergessen, und auch die Mannschaft schien in der Vorbereitung der Schlacht aufzugehen. Zufrieden kehrte sie schließlich zu Cearl und Aella zurück.
»Schiff klar zum Gefecht«, meldete sie und zog ihr Fernrohr aus der Tasche. Sie näherten sich der Insel von Westen her. Laut den Beschreibungen ihrer Verbündeten würden sie erst die Landspitze umrunden müssen, bevor sie die Bucht einsehen konnten.
»Leutnant Hugham, lassen Sie bitte volle Beflaggung aufziehen«, ordnete Frewelling an. »Wir kündigen uns nach allen Regeln an.«
Während Aella die Befehle weitergab, setze Roxane das Fernrohr ans Auge und suchte die Insel nach einem Hinweis darauf ab, dass die vorgeblichen Händler sie nicht getäuscht hatten. Der Plan war einfach. Die Mantikor würde den Geleitschutz beschäftigen und die Schiffe versenken oder vertreiben, während die Händler sich um die Aufnahme der Sklaven kümmerten. Dann erst würde das eigentliche Ziel von den Soldaten und Seeleuten der Fregatte geentert werden. Falls es denn überhaupt zur Schlacht kommen sollte.
»Denken Sie, dass es funktionieren wird?«, fragte sie Cearl. »Ich meine, dass diese Schiffe sich uns ergeben?«
»Wer weiß? Ich würde jedenfalls nicht den ersten Schuss abgeben, so viel ist sicher. Erst einmal fordern wir sie auf, sich uns zu ergeben. Sollten sie dem nachkommen – gut. Wenn nicht, sind wir vorbereitet. Sie kennen ja das Motto.«
Doch die junge Offizierin hatte ihr Fernrohr auf die beiden Schiffe ausgerichtet, die sie in gebührendem Abstand begleiteten, und antwortete nicht. Sie sah Gestalten an Deck umherlaufen, aber keiner der Matrosen war groß und dunkelhaarig und trug eine goldene Echse auf der Schulter. Es ärgerte sie, einen Anflug von Bedauern zu spüren. Hätte ich ihn gerne noch einmal vor dem Gefecht gesehen? Ich verfluchte Närrin!
Dann ließ sie ihren Blick über die Rümpfe wandern. Wieder einmal
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