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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Anui seinen Platz verlässt und die Welt kalt und öde wird!
    »Wie geht es dem Alten?«, erkundigte sich Tangye.
    Die Frage überraschte Sinao. »Er stirbt«, erwiderte sie wahrheitsgemäß. »Es geht ihm jeden Tag schlechter.«
    »Ein Jammer. Er hat das einzig Richtige getan, weißt du? Ich hätte dem Lager gerne gezeigt, dass ich mein Wort halte und dass es ihm bei uns gut geht. Aber da kann man nichts machen.«
    Sinao schwieg wieder, da sie nichts darauf zu sagen wusste. Dass sich Tangye Sorgen um seine Glaubwürdigkeit machte, amüsierte sie beinahe.
    Der Aufseher stand auf und ging zum Fenster. Dabei drehte er ihr den Rücken zu, und wieder umschlossen ihre Finger den Griff des Messers. Wie gebannt starrte sie auf die Stelle zwischen seinen Schulterblättern, die sie unter seinem Wams deutlich erkennen konnte, als er sich streckte. Vor dem hellen Tageslicht zeichnete sich sein Körper genau ab. Er war wie von einer Aura umgeben, denn Anui badete ihn in seinem Licht. Der Widerspruch zwischen dem Bild und dem Mann war so hart, dass Sinao kaum einen klaren Gedanken fassen konnte, weil es sie so zornig machte, dass Tangye Licht und Freude haben sollte, während Majagua litt.
    »Ich bin ein guter Herr«, sinnierte Tangye leise. »Ich halte mein Wort. Wer mir treu ist, dem bin ich treu. Ist das nicht so?«
    Die junge Sklavin antwortete nicht. Vielleicht war die Lüge zu groß, und die Wahrheit wäre ihr Tod gewesen. Doch Tangye achtete gar nicht auf sie, sondern nahm gedankenverloren sein Glas und trank einen Schluck Rum. Sinao hatte bereits zweimal nachschenken müssen, während Tangye die Aufzeichnungen über die Lagerbestände kontrolliert hatte.
    »Ich bin ein guter Herr«, wiederholte Tangye, als wolle er sich selbst überzeugen. »Ich habe dich nie geschlagen, nicht wahr?«
    Nicht im Vergleich zu den anderen, die du zu Tode geprügelt hast. Hass brandete in ihr auf, als die Bilder ungebeten vor ihre Augen stiegen. Sie konnte die Schreie wieder hören, das Flehen und Weinen. Sie wusste, wie lange das Sterben jedes Einzelnen gedauert hatte. Sie schmeckte das Blut in der Luft, roch seine metallische Note, konnte das Entsetzen auf ihren Lippen schmecken. Langsam zog sie das Messer aus der Schürzentasche, Millimeter für Millimeter. Die Folgen interessierten sie nicht mehr – es war ohnehin alles egal. Dort würde sie hinstechen, eine Handbreit unter dem Nacken und zwei Finger nach links. Sie hatte genug Tiere in ihrem Leben geschlachtet, um zu wissen, wie sie es anstellen musste. Die Schweine taten ihr mehr leid, als Tangye es jetzt tat.
    »Was zur Hölle?«, fauchte Tangye unvermittelt. Ertappt hielt Sinao die Luft an. Er kann es doch spüren. Die Geschichten sind wahr! Er hat Augen im Rücken und riecht Verrat!
    Doch der Aufseher lehnte sich aus dem Fenster, als beobachte er etwas in der Bucht. Sein breiter Rücken blockierte Sinaos Sicht, und sie stand stumm und still, immer noch eingeschüchtert von seiner Reaktion. Dann polterten Schritte über den Flur, und die Tür hinter ihr flog auf.
    »Thay, ein Schiff.«
    »Das sehe ich selbst, du Idiot. Eine Fregatte. Die verfluchte Marine ist hier.«
    Vorsichtig wagte es Sinao, hinter sich zu schauen, wo ein atemloser junger Soldat mit wirrem, blondem Haarschopf stand.
    »Ich komme hoch. Bring mir den Leutnant«, befahl Tangye, der sich seinen Hut aufsetzte. »Sin, du kommst mit. Nimm die Flasche und ein paar Gläser mit, klar?«
    »Ja«, murmelte sie. Es gelang ihr, einen Blick auf die Bucht zu erhaschen, wo sich ein großes Schiff mit vier großen weißen Segeln stolz vor dem blauen Meer erhob. Das sind sie! Sie sind doch noch gekommen!
    Geschwind packte sie alles auf das Tablett und folgte Tangye, der direkt zu der Treppe ging, die hinauf auf die Mauer und weiter zum Turm führte. Nur selten durften die Sklaven dorthin, und bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen es erlaubt wurde, war es stets Sinao gewesen, die Getränke servieren musste, wenn die Aufseher im Schatten eines aufgespannten Tuches saßen und sich unterhielten. Jetzt waren keine Tücher gespannt, und auf dem niedrigen Turm hatten sich Soldaten versammelt, die alle die Geschehnisse in der Bucht unter ihnen beobachteten.
    Tangye nahm sein Glas und trank noch mehr Rum, während er das neu angekommene Schiff im Auge behielt.
    »Keine Panik«, erklärte er laut. »Alle wissen, was zu tun ist. Wir behandeln sie höflich und sorgen dafür, dass sie bald wieder verschwinden. Wir stehen alle auf derselben

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