Sturmwelten 01
Grüner Blitz . Ich habe mal einen alten Matrosen getroffen, der hat behauptet, dass es ein Omen ist.«
»Ein Omen wofür?«
»Für eine große Veränderung. Er war ein seltsamer alter Kauz. Aber magisch ist es ganz sicher, das sagt auch Ayvon. Er glaubt daran, dass mächtiges Mojo am Werk ist, wenn sich der Grüne Blitz am Himmel zeigt.«
Unsicher blickte Jaquento zum Horizont. Ist das ein Zufall? Ein simples Naturschauspiel? Oder ein magisches Zeichen, eine Botschaft, ein Hinweis? Aber so sehr er auch überlegte, er konnte diese Fragen nicht beantworten. Obwohl Rahel bei ihm stand, fühlte er sich an Bord der Todsünde einsam; so allein, wie er sich nicht mehr gefühlt hatte, seit er seine Heimat verlassen hatte.
Er beachtete kaum, wie die beiden großen Boote unter viel Geschrei ablegten, wie die Abschiedsrufe über das Wasser hallten, während sich die ehemaligen Sklaven in die Ruder legten. Die Nacht kam schnell, wie stets in den Sturmwelten, und Jaquento stand noch kurze Zeit an der Reling, während die Schatten jede Erinnerung des Himmels an das grüne Leuchten tilgten, zur allumfassenden Dunkelheit wurden und den Horizont schließlich verschluckten.
MAJAGUA
Gemeinsam mit den winzigen Segeln, die hinter dem Horizont verschwanden, sank auch Majaguas Hoffnung. Das Schiff war nun unerreichbar, an eine Flucht nicht mehr zu denken.
Nein!, schalt er sich selbst. Es werden mehr Schiffe kommen. Und eins davon wird uns von hier fortbringen!
Doch in der Hitze der Mittagssonne auf den Feldern, den Rücken gebeugt, die harschen Befehle der Aufseher in den Ohren, fiel es dem jungen Paranao schwer, seinen eigenen Gedanken Glauben zu schenken. Nachdem sie in den letzten Tagen die Wurzeln geerntet hatten, mussten sie nun wieder Setzlinge einpflanzen. In einem Leinensack an seiner Seite trug Majagua die jungen Pflanzen, die er in das Erdreich eingraben musste. Natürlich gab es nur wenige Pausen in der monotonen Arbeit, und wer in den Reihen hinter den anderen Sklaven zurückfiel, wurde mit der Knute angetrieben.
Der Schweiß lief Majagua über die Haut, und seine Finger schmerzten vom Scharren in der Erde, aber es ging ihm besser als manch anderem hier. Er war jung und stark, und das Feuer in seiner Brust hielt ihn am Leben. Andere schleppten sich mühsam von einem Loch zum nächsten, die Qual in ihrem Gesicht nur noch übertroffen von ihrer Hoffnungslosigkeit. Haltet aus, flehte der junge Paranao wortlos, wir werden von hier fliehen.
In der nächsten Reihe schuftete ein älterer Mann, dessen Name Majagua nicht einmal kannte, obwohl sie in der gleichen Hütte schliefen. Seine Augen waren glasig, und sein Atem ging stoßweise. Er musste diese Arbeit schon oft ausgeführt haben, denn seine Bewegungen waren schnell und präzise, selbst wenn er nicht auf den Boden schaute. Es schien für ihn kein anderes Ziel als das nächste Loch zu geben, den nächsten Setzling, den nächsten Schritt. Zwei Reihen weiter auf der anderen Seite arbeitete Aymero. Aus dem Augenwinkel sah Majagua, wie sich der Junge etwas in den Mund steckte und verstohlen zu kauen begann.
»He«, zischte Majagua gerade so laut, wie er sich traute, ohne unliebsame Aufmerksamkeit zu erregen. Ein Blick über die Schulter zeigte ihm, dass keiner der Aufseher in der Nähe war. Die älteren Sklaven um ihn herum beachteten ihn nicht, sondern sahen starr auf ihre arbeitenden Hände. Nur Aymero blickte auf.
»Was machst du da?«
»Ich habe Hunger«, erklärte der Junge mit schluchzender Stimme. »Es tut weh im Bauch!«
»Sei leise«, erwiderte Majagua warnend. »Was isst du da?«
»Wurzel.«
Auch Majagua hatte hier und da auf dem Feld noch einige Wurzeln gefunden, die er allerdings, wie befohlen, in seinen Sack gesteckt hatte. Er schüttelte zornig den Kopf: » Ocama – hör mir zu: Das darfst du nicht!«
»Aber ich habe Hunger«, greinte Aymero und rieb sich den Leib. Der Junge war schon bei seiner Ankunft schmal gewesen, und inzwischen sah Majagua seine Rippen einzeln hervorstehen, denn das Essen im Lager war immer zu knapp und eine Schüssel davon längst nicht genug für einen Jungen, der noch wachsen musste.
»Man darf die Wurzeln nicht so essen. Das ist tabu!«
Anstatt zu antworten, begann Aymero nur, leise zu weinen. Im Schatten einer Palme, vielleicht drei oder vier Dutzend Schritt entfernt, unterhielten sich zwei der Aufseher, während sie eine rauchende Pfeife hin und her reichten. Noch sahen sie nicht herüber, aber irgendwann würden ihnen
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