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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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von ihm Besitz, obwohl er nicht einmal den Namen des Sterbenden kannte. Er wollte beten, die Ahnen um die freundliche Aufnahme des Reisenden bitten, aber die Worte hatten seinen Geist verlassen, und was blieb, war nur Gestammel ohne Sinn.
    »Dies ist die Strafe für Diebstahl«, brüllte Tangye befriedigt, als der Körper leblos von der Mauer hing und alle Zuschauer ihn schweigend betrachteten. Er wies nach oben und ließ seinen Blick über die Sklaven schweifen. »Er wird hier hängen bleiben, als Warnung für alle, die euch künftig berauben wollen!«
    Niemand wagte es, dem Aufseher ins Gesicht zu sehen, als er mit langsamen Schritten vor den Sklaven entlangging und sie eindringlich musterte. Auch Majagua senkte den Kopf, doch nicht aus Angst; er wollte nicht, dass Tangye die Tränen in seinen Augen sah.
    »Sein Name war Hayuya«, flüsterte Sinao ihm zu. »Er war schon lange hier, zweihundertachtundsiebzig Tage. Er war immer sehr freundlich und höflich bei der Essensausgabe.«
    Der junge Paranao war einen Moment lang erstaunt, wie gut ihr Gedächtnis für diese Einzelheiten war. Zugleich ließen ihre Worte auch wieder Wut in ihm aufsteigen. Er wusste kaum, wie ihm war, so schnell kam der Zorn über ihn und vertrieb die Trauer. Heiß kochte er in seinem Herzen und ließ ihn mit den Zähnen knirschen.
    »Warum hast du mich aufgehalten?«
    »Weil du sonst auch tot wärst«, war ihre schlichte Antwort. Ungläubig schüttelte Majagua den Kopf. Sie musste wissen, dass er nicht zu siegen gehofft hatte. Oder sie dachte wirklich, dass er ein Schafsjunge war, den sie herumkommandieren konnte, wie sie wollte.
    »Ich bin tot«, antwortete Majagua mit einer Kälte, die er nicht empfand. »Wir alle sind es. Nenn du sie Hequia, die Herrin, aber ich sage, wir leben auf Oubao-moin , auf der BlutInsel! Sie haben heute ein wenig von uns getötet und werden es morgen wieder tun. Und ich bin lieber ganz tot als nur halb!«
    »Aber du musst leben«, widersprach sie ihm.
    »Warum?«
    Ihre nächsten Worte waren von solcher Ruhe erfüllt, dass sie dem jungen Paranao seinen ganzen Zorn nahmen: »Weil du uns aus dieser Finsterwelt führen musst, Majagua.«

FRANIGO

    Andere mochten über die Thayns und ihre angeblich so langweilige Mode, die von den Marotten ihrer exzentrischen Monarchin bestimmt wurde, amüsiert den Kopf schütteln, aber Franigo fand seit jeher, dass Schlichtheit ihre ganz eigene Faszination und auch Schönheit entwickeln konnte. Zudem stach man in einem schwarzen Gehrock allein schon wegen der Farbe aus der Masse jener hervor, die sich geradezu verzweifelt in so farbenreiche Gewänder hüllten, dass sich selbst Regenbögen beschämt abwendeten.
    Der Inhalt der Börse, die man dem Poeten überlassen hatte, war von ihm gleich bei einem Schneider angelegt worden. Denn nur weil ein Gewand farblich schlicht war, wollte Franigo nicht auf die besten Stoffe und einen angenehmen, seine Konturen ins rechte Licht rückenden Schnitt verzichten. Das muss man den Géronaee lassen: Die Kenntnisse ihrer Schneider sind anderen Völkern weit überlegen.
    Doch schon regte sich wieder Ungeduld in ihm. Zwar lebte er gut im Gästehaus des Anwesens, und um alle seine Sorgen wurde sich aufmerksam, schnell und diskret gekümmert, doch er wollte endlich seinen Mäzen kennenlernen.
    Geschrieben hatte er natürlich nichts von Bedeutung; die anzüglichen Verse hatte er abgesagt, und für ein neues Stück fehlte ihm das Wissen um den Geschmack seines Gönners. Eine Handvoll Liebesgedichte hatte er halbherzig verfasst; einfach, weil er es konnte und es ihm nicht gut tat, diesen Teil seines Talents zu vernachlässigen. Selbstverständlich waren sie ausgezeichnet, aber sie lösten nicht die errötende Atemlosigkeit bei ihren Empfängerinnen aus, die er stets anstrebte. Seit dem unglücklichen Ende seiner Affäre mit der Marchessa mangelte es ihm an echter Inspiration.
    Seine langen Finger trommelten auf das edle, dunkle Holz des Schreibtisches. Schließlich fasste er einen Entschluss, erhob sich und warf den Mantel über die Schulter. Vor einem der teuren, großen Spiegel setzte er seinen Hut im genau richtigen, leicht verwegen wirkenden Winkel auf und musterte seine Erscheinung. Ein schneidiger Dichter lächelte zurück, und er strich zufrieden über seinen sorgfältig gestutzten Bart. Die rote Rose des Ordens auf seiner Brust war absolut der richtige Akzent für die schwarze Kleidung, sie unterstrich und erhöhte die würdevolle Erscheinung.

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