Sturmwelten 01
Selbstbewusst verließ er das Gästehaus und überquerte den Hof, dessen Kies unter seinen hohen Stiefeln knirschte.
»He da, guter Mann«, rief er der uniformierten Wache zu, die vor dem Eingang zum Hauptgebäude des Palasts stand. »Ich begehre Einlass.«
Anstatt zu antworten, brummte der Mann nur und schüttelte den Kopf.
»Mein Name ist Franigo …«
»Kein Einlass heute, meine Anweisungen sind deutlich«, unterbrach ihn der Soldat abweisend. Impertinenter Hund, wollte Franigo rufen, weißt du denn nicht, wer ich bin? Stattdessen hob er eine Braue: »Dann melde deinem Herrn mein Anliegen.«
Schritte ließen den Poeten über seine Schulter blicken. Einer der Diener näherte sich und vollführte eine Armeslänge von Franigo entfernt eine Verbeugung. »Das wird nicht nötig sein. Würdet Ihr mir bitte folgen?«
Mit einem letzten, abschätzigen Blick auf die ungerührte Wache kam Franigo der Aufforderung nach. Er wurde hinter den Palast gebracht, wo ein schmaler Weg durch den Park führte. Dort stand eine prunkvolle Kutsche, vor die zwei der prächtigsten Pferde gespannt waren, die Franigo jemals gesehen hatte. Sein Land war für seine Pferdezuchten berühmt, und jene beiden Rappen hätte jeder Züchter dort sofort erworben.
Mit geübten Bewegungen klappte der Diener eine kleine Treppe herab und öffnete die Tür der Kutsche. Jetzt war sich der Poet sicher: Es war jener Livrierte, der ihn vor einigen Nächten abgeholt hatte. Im hellen Tageslicht war er besser zu erkennen, und sowohl die Livree als auch die gepuderte Perücke verbargen nicht, dass er mehr war als ein gewöhnlicher Bediensteter. Der Stoff spannte sich über seiner breiten Brust, und an seinen Händen konnte der Dichter kleine Narben erkennen; Zeugen von Kämpfen, wie Franigo annahm. Mit einem Nicken stieg er in die Kutsche, wo bereits drei Personen saßen, die ihn neugierig betrachteten.
»Ah, mein schreibender Freund«, erklärte der Mann, der in Fahrtrichtung saß, und wies auf den letzten freien Platz auf der gegenüberliegenden Sitzbank. Entschuldigungen murmelnd, stieg Franigo mühsam über die Beine der anderen hinweg, während sich der Mann, der ihn angesprochen hatte, offensichtlich sein Gastgeber, allein auf seiner Bank fläzte. Das Gefährt schaukelte unter Franigos Bemühungen, und er spürte Scham über sein Ungeschick in sich aufsteigen, da er sich, entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, unbeholfen fühlte.
»Euer Exzellenz«, sagte der Poet schließlich, als er sich niedergelassen hatte, und neigte das Haupt.
»Das sind mein Maestre und der Caserdote meiner Kapelle«, stellte der Princiess seine Begleiter unhöflich knapp vor. Dann klopfte er mit einem kurzen Stab an die mit Seide bespannte Decke der Kutsche. »Verzeiht den Umstand, aber wir fahren lieber durch das Seitentor. Am Haupttor lungert ständig diese Bettlermenge. Ein Affront für die Augen, das könnt Ihr mir glauben. Ich wünschte, der König würde sich endlich dieser armen Seelen annehmen und ihnen Arbeit geben. Wir führen wahrlich genug Kriege. Sollen sie doch zu Felde ihrem Land dienen!«
Ruckelnd setzte sich die Kutsche in Bewegung. Ihre Fenster waren mit Vorhängen ausgestattet, und in ihrem Inneren herrschte Zwielicht. Unauffällig musterte Franigo den Mann, der als Minister bei Hofe große Macht angesammelt hatte. In vielen Geschäften ließ der König ihm freie Hand, vor allem bei der bürokratischen Zentralverwaltung, die sich von Géronay aus wie ein Krake über alle eroberten Ländereien gelegt hatte.
Obwohl er stämmig war, wirkte sein Leib eher kräftig denn fett – wie der eines Mannes, der einst athletisch gewesen war, aber im Laufe der Zeit an zu vielen guten Banketten teilgenommen hatte. Das deckte sich mit dem wenigen, das Franigo über Gasparde von Gureman, Princiess des Reiches, geheimer Minister und Liebhaber der schönen Künste, gehört hatte: In seiner Jugend hatte der Princiess selbst in den zahlreichen Kriegen seines Lehnsherrn gekämpft und so dessen Vertrauen erlangt. Seine Kleidung entsprach natürlich der allerneuesten Mode, reichhaltig verziert und mit kostbaren Steinen bestickt. Anerkennend bemerkte Franigo, dass der Adlige jedoch auf allzu auffällige Farben verzichtet und ein beinahe schon zurückhaltend zu nennendes dunkelblaues Wams gewählt hatte, das dezent sein Wappen trug.
Plötzlich fielen dem Poeten die Stille und der fordernde Blick seines Gegenübers auf, also murmelte er verlegen: »Natürlich, Euer
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