Sturmwelten 01
streng. Dann blickte er sich vorsichtig um. »Ich sollte vielleicht aufhören, mit dir zu reden, was? Sonst halten mich noch alle für verrückt.«
Natürlich antwortete die Echse nicht, auch wenn sie ihn jetzt musterte. Ihr intensiver Blick ließ Jaquento schmunzeln. Doch da sah er Rahel quer über das Deck auf ihn zustapfen, und er verkniff sich sein Grinsen.
»Schaff das Vieh weg!«
»Du weißt doch selbst, dass das nicht so einfach ist«, erwiderte der junge Hiscadi ruhig.
Wütend funkelte sie zuerst ihn und dann die Echse an. »Wenn man dich nicht für sich allein haben kann, ohne dass dieses Biest sich aufführt wie ein liebestoller Kater, sollten wir doch eine Suppe aus ihm machen!«
Als er Rahels grimmigen Gesichtsausdruck sah, bemühte sich Jaquento, eiligst das Thema zu wechseln. »Was geschieht heute eigentlich genau?«, fragte er, um Rahel auf andere Gedanken zu bringen. Ihr Zorn schwand wie Nebel an einem Sommertag, und jetzt war es an ihr, breit zu grinsen.
»Heute wirst du erleben, was Freiheit für uns bedeutet. Und vielleicht geht das dann endlich auch in deinen dicken Schädel hinein!«
»Das klingt … faszinierend. Willst du es mir genauer erklären?«
Mit einem finsteren Blick auf die Echse schüttelte Rahel ihre dunklen Locken.
»Lass dich überraschen. Oder sollte ich besser sagen: Lasst euch überraschen? Dein Vieh wird ja wohl auch dabei sein.«
Damit wandte sie sich ab. Obwohl ihre letzten Worte düster geklungen hatten, vermutete Jaquento, dass ihre schlechte Laune aufgesetzt war, denn ihr Schritt war federnd, und er konnte eine gewisse Vorfreude in ihr spüren.
Von der Wyrdem legten nun beide Boote ab und ruderten über die türkisfarbene Bucht. Weit über ihnen kreiste ein großer, dunkler Vogel. Meine Vorfahren haben an das Prophetische des Vogelflugs geglaubt. Bist du ein Omen, Freund Vogel? Wenn ja, beanspruche ich dich für mich, als gutes Omen. Jaquento warf einen letzten Blick auf die sich nähernden Boote, die mit den ersten Rufen begrüßt wurden, und beschloss aus einer Laune heraus, ebenfalls seine besten Kleider anzuziehen. Was immer auch geschehen mochte, er würde gewappnet sein. Und es wäre eine Wohltat, Stoff auf der Haut zu spüren, der noch nicht völlig mit Salz verkrustet war.
Unter Deck war es stiller; die Rufe und Gespräche von oben drangen nur gedämpft herab. Einige der Geschützpforten waren geöffnet, um Luft und Licht hereinzulassen, doch ungeachtet dessen herrschte Zwielicht. Zwischen den Kanonen waren die Tische herabgelassen worden, und hier und da saßen noch einige Mannschaftsmitglieder daran und würfelten oder spielten Karten. Geld kam jedoch nicht zum Einsatz, denn dies war an Bord verboten, wie Jaquento zu seiner Überraschung erfahren hatte. Mit einem kleinen Satz sprang die Echse von seiner Schulter und verschwand unter einer Kanone.
Es dauerte nicht lange, bis der junge Hiscadi seine wenigen Habseligkeiten eingesammelt und angelegt hatte; er besaß ja kaum mehr als die Kleidung und seinen Degen. Mit einem Lächeln zog er die weiße Spitze an den Aufschlägen seiner Ärmel zurecht. Falls es heute einen Preis für die geschmackvollste Kleidung gibt, sollte ich ihn ohne Schwierigkeiten gewinnen.
Als er wieder an Deck kam, blendete ihn die grelle Sonne kurz, doch er erkannte schnell, dass beinahe alle Mitglieder der Mannschaft versammelt waren. Neugierig blickte er sich um und gesellte sich zu Rahel, die inmitten der Seeleute stand. Die Gespräche waren wie ein beständiges Rauschen, das verstummte, als der Kapitän auf dem Achterdeck erschien. Sein Gehrock leuchtete grün in der Sonne, und mit dem breitkrempigen Hut und den goldenen Litzen wirkte er sehr beeindruckend. Oder ob ich nur den zweiten Platz belege?, frage sich Jaquento, der sich selbst seine ausgelassene Stimmung nicht ganz erklären konnte. Vielleicht hat mich Rahels Gerede von Freiheit doch angesteckt.
Für einige Momente blickte der Kapitän auf die Mannschaft hinab, dann erhob er die Stimme: »Schiffskameraden! Es stehen Veränderungen an!«
Die Worte erinnerten Jaquento frappierend an Rahels Deutung des Grünes Blitzes, und er suchte ihren Blick, doch sie starrte nach oben zu Deguay.
»Wir haben uns hier versammelt, wie es Brauch ist. Weil es gilt, Entscheidungen zu treffen«, fuhr der Kapitän leiser fort. Er musste nicht rufen, denn es war an Deck still geworden, und alle Augen waren gespannt auf ihn gerichtet.
»Wir haben nach hartem Kampf dieses feine Schiff dort
Weitere Kostenlose Bücher