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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Schiffe brachte neue Möglichkeiten mit, öffnete vielleicht Türen. Vor ihren Augen breiteten sich unendliche Wege aus, Kreuzungen, Abzweigungen, silberne Pfade in der Zeit. Das Bild kam ungebeten, und es war so verwirrend, dass Sinao schwindlig wurde. Was geschieht mit mir? , dachte sie verzweifelt, während sie sich an der Wand abstützte, um nicht zu taumeln. Das kühle Mauerwerk, so verlässlich in seiner Realität, gab ihr Kraft, und langsam verblassten die Linien und machten der Welt wieder Platz, die plötzlich dunkel und ohne Konturen erschien.
    »Sin? Was ist?«
    »Mir ist schwindlig«, gab sie zu, ohne den Grund zu nennen. Sie zog bereits genug misstrauische Blicke auf sich, dank ihrer Befähigungen und nun auch dank ihres Kontakts zu Majagua. Würde sie den anderen gestehen, Visionen zu haben, und seien sie noch so abstrakt und unverständlich, würde sie sich endgültig von ihnen entfremden.
    »Setz dich hin«, befahl ihr Brizula sanft und holte eine Kelle voll Wasser. Dankbar trank Sinao, und das Gefühl der kühlen Flüssigkeit in ihrer Kehle belebte tatsächlich ihre Sinne wieder. Langsam verschwand der Schwindel.
    »Die Aufregung«, befand Brizula, die wie eine Glucke um Sinao herumwuselte und froh zu sein schien, die Ereignisse der letzten Tage vergessen und sich auf etwas Handfestes besinnen zu können.
    »Vermutlich«, pflichtete die junge Sklavin ihr bei und sah betreten zu Boden. Die Aufseher anzulügen war eine Sache, die anderen Sklaven hingegen eine andere. Doch ihre Skrupel hielten sich nicht lang. Wenn einem nichts mehr gehört, gibt man nicht einmal mehr die Wahrheit aus freien Stücken her.
    Obwohl Sinao arbeiten wollte, verhinderte Brizula dies mit sanftem, aber unwiderstehlichem Zwang. Die alte Sklavin verhielt sich wie eine wahre Matrone, und ihre ganze Sorge galt Sinaos Wohlergehen.
    Ein lautes Poltern von schweren Stiefeln kündigte das Kommen von Soldaten an, die tatsächlich bald darauf durch die Tür traten. Überrascht sah Sinao, wie atemlos die beiden jungen Männer waren, deren Blicke suchend durch die Küche wanderten. Als sie die junge Sklavin entdeckten, schritten sie zu ihr.
    »Ihr sollt Essen kochen. Gutes Essen. Verstehst du?«
    Ich bin nicht dumm, dachte Sinao, und ich spreche deine Sprache vielleicht besser als du. Aber sie nickte nur unterwürfig.
    »Sag es den anderen. Und bring Wein und Rum zu Mister Tangye. Genug für ein halbes Dutzend Leute.«
    Wieder nickte Sinao, ohne den Soldaten in die Augen zu sehen. Sie sagte ihnen nicht, dass alle Küchensklaven sie verstehen würden, sie sagte ihnen nicht, was sie dachte, sondern sie schwieg.
    »Beeilt euch!«
    Damit wandten sie sich ab und liefen wieder die Treppe empor.
    »Brizula, kümmer’ dich um das Essen. Ich bringe die Getränke«, befahl Sinao und lief in den Keller hinab, um ein Tablett zusammenzustellen. Kurz darauf ging sie zwar schnell, aber doch vorsichtig das Tablett balancierend, durch die Festung. Aus einer der Schießscharten erhaschte sie einen Blick auf die Bucht, und dort unten im Wasser sah sie nun vier Schiffe. Schnell schaute sie sich um, und als sie feststellte, dass niemand sie beobachtete, blieb sie kurz stehen.
    Das vierte Schiff lag weiter draußen in der Bucht, abseits der drei, die zuerst angekommen waren. Es sah aus wie manche der Sklavenschiffe; mit einem zweigeteilten Rumpf und einem hohen Aufbau am Heck. Lediglich der große Mast war weiter nach vorn geneigt, als sie es bisher gesehen hatte. Etwas störte sie, und es dauerte einige Herzschläge, bis ihr Geist verarbeitet hatte, was ihre Augen sahen. In der kurzen Zeit, in der sie das Schiff angeschaut hatte, waren zwar nur wenige Seeleute gleichzeitig an Deck gewesen, doch es waren sehr viel mehr auf dem Schiff. Immer, wenn jemand aus der Sicht verschwand, tauchte ein anderer auf. So mochte es wirken, als ob nur zwanzig Matrosen an Bord waren, doch selbst in den wenigen Minuten hatte Sinao vierunddreißig Seeleute gezählt. Manche der Sklavenschiffe hatten über zwanzig Mann Besatzung, aber zumeist waren es weniger. Und es waren immer genau zwanzig Seeleute an Deck, wie Sinao erkannte, stets exakt diese Zahl.
    Verstört ging sie weiter. Sie konnte sich keinen Reim auf das machen, was sie eben beobachtet hatte. Wenn es ein Sklavenschiff war, hätte sicherlich niemand einen Salut gefeuert. Der Gedanke daran, dass man die Sklaven mit Kanonenschüssen begrüßen könnte, ließ Sinao kichern. Aber eine wichtige Persönlichkeit würde nicht

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