Sturmwelten 01
weit vom Kurs abgebracht, und als wir auf unseren Karten diese Kolonie eingezeichnet sahen, dachten wir, es wäre ratsam, einen Blick zu riskieren.«
»Das müssen alte Karten sein«, stellte Tangye fest. »Vermutlich noch aus der Zeit der hiscadischen Besetzung. Lautet der Name auf den Karten Amara?«
»Ja.«
»Inzwischen heißt dieses Eiland Hequia. Der Gouverneur hat sie umbenannt, nachdem die hiscadischen Hunde vertrieben wurden. Das war wohl der Name, den die Paranaos der Insel gegeben hatten.«
Überrascht sah Sinao, wie der einfach gekleidete Mann dem anderen seine Hand auf den Unterarm legte.
»Leben noch welche hier?«
»Was, Eingeborene? Aber sicher!«, erwiderte Tangye mit einem Lachen und drehte sich um. Er stemmte die Arme in die Seite und nickte in Sinaos Richtung.
»Sin und die anderen Küchen......hilfen. Und im Dorf unten gibt es viele Eingeborene. Sie sind wie geschaffen für die schwere Arbeit, nicht wahr?«
»Das glaube ich gern. Ihr seid …«, begann der Hochgewachsene, doch sein Begleiter hustete plötzlich laut, sodass er innehielt. Verwirrt griff er nach seinem Glas und trank einen Schluck Wein: »Verzeihung, jetzt habe ich den Faden verloren. Ach ja: Ihr seid sicherlich zwei- oder dreihundert Leute auf der Insel. Da fällt einiges an Bedarf an. Unser Wein ist gut.«
»Die Eingeborenen trinken keinen Wein«, erklärte Tangye grinsend. »Die sind sehr enthaltsam. Kräftig wie Maultiere und beinahe ebenso genügsam. Aber wir zivilisierten Leute wissen natürlich einen guten Tropfen zu schätzen. Vielleicht können wir einige Fässer abnehmen. Sozusagen als Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit.«
»Sehr gerne. Sollen wir die Schiffe vor Anker auch beliefern?«
»Nein! Eine Seuche grassiert an Bord. Schlimme Sache. Nicht einmal wir können an Bord gehen, um zu helfen.«
»Das eine Schiff scheint beschädigt zu sein?«
»Ein Unwetter. Die Besatzung ist erkrankt, und so war das Schiff den Unbilden der Witterung ausgeliefert.«
»Ich werde zu der Einheit beten, dass den armen Seelen an Bord Erlösung aus ihrem Schicksal zuteil wird«, erklärte der Hochgewachsene feierlich, und Tangye nickte abgelenkt.
»Wir können immer wieder Waren gebrauchen. Auch … Arbeitskräfte. Die Arbeit in den Minen ist hart. Viele halten sie nicht lange durch.«
In Sinao wallte Zorn auf, als sie an Hayuya denken musste. Und an all die anderen Toten, deren Gesichter sie niemals vergessen würde.
»Gut. Wie gesagt, unsere derzeitige Fracht würden wir gern vor Ort löschen.«
»Ich werde in meine Unterlagen schauen«, beschied Tangye und stand auf. »Ich bin gleich wieder da.« Ja, lauf nur, dachte Sinao. Deine kostbaren Papiere kannst du schmutzigen Sklavenhänden ja nicht anvertrauen.
Kaum hatte er den Raum verlassen, begannen die beiden Fremden aufeinander einzureden. Sie wirkten nicht glücklich und fuchtelten mit den Händen, doch sie sprachen in einer Zunge, die Sinao nicht verstand, voller rollender R und kehliger Laute. Für einige Zeit sah sie ihnen zu, aber sie konnte nicht ausmachen, wer auf wen wütend war und warum, also schaute sie zum Fenster. Von dort würde man die Insel und das Lager sehen können. Eine zehrende Sehnsucht erfüllte ihre Brust; vielleicht konnte sie Majagua dort erspähen. Sie wusste, dass es unwahrscheinlich war, doch ihr Herz wollte nicht auf sie hören. Unsicher guckte sie zu den beiden, doch die schienen in ihr Gespräch vertieft zu sein. Die furchtbare Echse hatte sich zusammengerollt und schlief. Möglichst unauffällig ging sie zum Fenster hinüber und warf einen Blick hinaus.
Das Lager war verlassen, wie sie schon gedacht hatte, und die Felder waren zu weit landeinwärts, verborgen hinter dem letzten grünen Gürtel. Rauch stieg von den Minen auf, aber das war nicht ungewöhnlich. Enttäuscht wollte Sinao sich abwenden, da fiel ihr Blick auf die vier ungleichen Schiffe in der Bucht. Während das schwarze Schiff fast verlassen schien, gab es auf den anderen Bewegung. Wieder war ihr das Kommen und Gehen auf dem Schiff der Fremden ein Rätsel; vier Mann gingen unter Deck, vier andere kamen herauf, sodass wieder zwanzig Seeleute an Deck waren. Sie runzelte die Stirn, konnte dieses seltsame Verhalten nicht ergründen.
»Neugierig?«, fragte unvermittelt eine sanfte Stimme hinter ihr, und sie wandte sich erschreckt um. Sofort schlug sie die Augen nieder und stotterte: »V... Verzeihung, Herr.«
Ihr gegenüber stand der hochgewachsene Mann, und bevor sie zu Boden
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