Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
Hand über die Eichenbalken.
»Wir alle«, entgegnete Roxane.
»Dann viel Glück, kommandierender Kapitän. Mast- und Schotbruch.«
Jetzt lächelte Roxane doch. Mit einem formellen Salut wandte sie sich ab. Als sie die Tücher zur Seite schlug, hörte sie noch einmal Aellas Stimme hinter sich.
»Wir haben richtig gehandelt.«
Ohne etwas zu erwidern, verließ Roxane das Lazarett. Ihr schlug Lachen von den Decks entgegen, und am Heck sang eine tiefe Stimme ein wehmütiges Lied. Die Stimmung innerhalb der Mannschaft war ausgelassen, und Roxane konnte es ihnen nicht verübeln. Die Schlachten waren geschlagen, die Toten der See übergeben. Jetzt würde es Prisengeld geben und Landurlaub, um es auszugeben.
Man machte ihr Platz, als sie gedankenverloren zwischen den vertäuten Kanonen entlangschritt. Sie achtete weder auf
die Salute noch auf die finsteren Blicke, die ihr von manchen zugeworfen wurden. Erst, als sie die Kapitänskajüte erreichte, nahm sie ihre Umgebung wieder bewusst wahr. Zeit verstrich, während sie sich alles noch einmal einprägte, jeden Gegenstand betrachtete und endlich die dicke Mappe mit dem Logbuch, den Berichten und Listen unter den Arm klemmte. Wie Aella fasste sie das kräftige, harte Holz an, das ihnen im Gefecht so treue Dienste geleistet hatte. Dann stieg sie wieder hinauf an Deck.
Inzwischen hatten die Wolken sich über der Insel aufgebauscht und erhoben sich düster in den Himmel. Obwohl sie noch nicht lange in der Sturmwelt war, konnte Roxane an ihnen erkennen, dass bald ein Schauer folgen würde. Die beiden anderen Schiffe waren hinter der Mantikor in den Hafen eingelaufen und ankerten in Rufnähe.
»Teilen Sie der Windreiter mit, dass ich ihren Kapitän an Land erwarte«, befahl sie kurz angebunden. »Und signalisieren Sie der Luchs , dass ich einen Offiziellen zur Übergabe der Prise entsenden werde.«
Dann kletterte sie hinab in das bereits wartende Boot und setzte sich in den Bug. Mit gleichmäßigen, starken Ruderschlägen wurde sie dem Land entgegengetragen, dem Land und Admiral Holt, dessen Flagge über dem Hafen gehisst war. Wehmütig betrachtete sie die Mantikor , die, obschon älter, selbst im trüben Licht des zu erwartenden Unwetters stolz über Roxane aufragte, und jeder Ruderschlag entfernte sie von dem Schiff, das kleiner und kleiner wurde.
Der Pier war fast gänzlich verlassen. Vermutlich warteten die meisten Einwohner der Stadt den Regenschauer ab, wofür Roxane dankbar war. Sie hätte es nur schwer ertragen, sich jetzt durch die Trauben von fliegenden Händlern zu drängen, ganz zu schweigen von den Prostituierten beiderlei Geschlechts, die sich schon bald zu den Schiffen aufmachen
würden. Nur eine Handvoll besonders hartnäckiger Gestalten kamen ihr entgegen, aber Roxane ignorierte sie und ging stracks auf den einsamen Beamten zu, der ihr langsam entgegentrottete.
»Ihrer königlichen Majestät Schiff Mantikor meldet sich, samt der Prise Luchs und dem … Händler Windreiter . Wir …«
»Der Händler sollte aus dem Kriegshafen entfernt werden, Thay«, beschwerte sich der Mann, der trotz seiner schwerfälligen Bewegungen und massigen Gestalt eine erstaunlich hohe, nasale Stimme hatte, ohne ihre Erklärung fertig zu hören.
»Wir haben Verletzte an Bord, Thay«, erwiderte Roxane kühl mit Blick zu den Schiffen. Ein kleines Dingi hatte sich von der Windreiter gelöst und näherte sich dem Pier. Kapitän Jaquento und seine Mannschaft werden sicherlich mehr Gefallen an den Vergnügungen dieser Hafenstadt finden als ich .
»Es verletzt die Regularien. Bitte sorgen Sie dafür, dass dieses Handelsschiff den Kriegshafen verlässt.« Der aufgeblasene Beamte gab nicht nach.
»Jetzt hören Sie mir mal zu, Mann«, explodierte Roxane unvermittelt. »An Bord befinden sich hunderte befreite Sklaven, wir haben Verluste erlitten und Verletzte an Bord. Unsere Vorräte gehen zur Neige, und wir benötigen dringend Hilfe, und Sie kommen mir mit den Regularien? Sie sorgen jetzt dafür, dass die Schiffe jedwede Unterstützung bekommen, die sie benötigen, oder gnade Ihnen die Einheit.«
Kaum unterdrückter Zorn brandete in Roxane auf, und die weit aufgerissenen Augen des Beamten zeigten ihr, dass der unfassbare Bruch des Protokolls, den sie gerade begangen hatte, nicht ohne Wirkung geblieben war.
»Haben Sie mich verstanden?«
Einige Momente verstrichen, dann nickte der Mann.
»Gut. Sobald die ehemaligen Sklaven von Bord sind, kann
die Windreiter in den offenen Hafen
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