Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
zornig und verschwitzt, es stank nach Schweiß und ungewaschenen Leibern. Zwischen all den Männern standen auch einige Frauen, nicht weniger abgehärmt als ihre Gatten, und Kinder liefen um die Gruppe herum, bestaunten das Spektakel oder spielten einfach im Schmutz.
Gegen seinen Willen fand sich Franigo nun an vorderster Front der Gruppe wieder, Seite an Seite mit Serge, der mit der Sense auf die Handvoll Männer im Hof deutete. Deren Anführer, offensichtlich ein Mann von Stand, blickte über die Länge seiner Nase auf die Wanderarbeiter herab, was Franigo einigen Respekt abnötigte, da der Mann von eher kleinem Wuchs war. Er war nach géronaischer Mode gekleidet, mit Schnallenschuhen und einer hohen Perücke, unter der es im Sonnenlicht sicherlich unangenehm warm werden musste.
Um ihn herum hatten sich vierschrötige Gesellen platziert, Knechte und sonstiges Gesinde, die ihrem Herrn zur Seite standen. Zwei von ihnen trugen die vorgenannten Musketen, und aus der Nähe wirkten sie durchaus vertraut mit ihren Waffen und, was noch schwerer wog, gewillt, diese auch einzusetzen.
Im Kopf ging Franigo rasch seine Möglichkeiten durch. Die einfachste, nämlich sich zu entschuldigen und diese lästige Angelegenheit hinter sich zu lassen, war sein erster Gedanke, doch dann besann er sich eines Besseren. Obwohl er schon lange marschiert war, stand die Sonne immer noch hoch am Himmel. Dem Gestirn und seinem Stand zum Trotz fühlte er sich erschöpft, und eine Einkehr wäre ihm zupassgekommen. Wenn ich dieses Problem lösen kann, was einem Mann meiner Fakultät nicht schwerfallen dürfte, wäre mir die Dankbarkeit dieses edlen Herrn gewiss. Seine Dankbarkeit und seine Gastfreundschaft hoffentlich auch . Franigos Blick wanderte über den Gutshof, der ihm sofort gefiel. Das Hauptgebäude war zweistöckig und weiß getüncht, mit roten Ziegeln auf dem Dach und ganz offensichtlich gut gepflegt und mit einigen Malereien verziert. Das Innere, wenn es denn dem Äußeren entsprach, würde gewiss Franigos Geschmack entgegenkommen und ihm einen äußerst angenehmen Aufenthalt gewähren. Im Geiste sah er sich schon im Badezuber liegen, bedient von der hübschesten der Mägde.
Also hub er an: »Ich entbiete mich, in diesem Disput die Rolle des Schlichters zu übernehmen, um der unseligen Streitfrage ein Ende zu bereiten. Mein Name ist Franigo …«
Weiter kam er nicht, denn der Gutsherr fauchte ihn an: »Was wagt Er? Noch ein Bauer, der den Mund nicht voll genug bekommen kann?«
Eisige Kälte ergriff Besitz von dem Poeten. Ein dünnes Lächeln stahl sich auf seine Lippen.
»Mesér, auch wenn es sich um ein Missverständnis zu handeln scheint, bin ich über Euren Tonfall wenig erfreut. Wenn Ihr Euch rasch entschuldigen wollt, können wir weiterhin über die vorliegenden Probleme reden.«
»Es gibt nichts zu bereden, Bursche! Der gerechte Lohn wurde bezahlt, und dieses Gesindel soll sich fortmachen! Auf der Stelle!«
»Keine Entschuldigung, Mesér?«
Zur Antwort lachte der kleine Mann nur, als sei dies lediglich ein Scherz. Franigos Hand glitt zum Degen.
»Dann müssen wir uns wohl schlagen.«
Jetzt verstummte das Lachen. Überhaupt trat eine nach dem Lärm geradezu gespenstische Stille ein. Die Schnitter schwiegen, und auch ihre Kontrahenten sagten kein Wort. Da ihm mit einem Mal sein Gegenüber und dessen Gehabe zuwider waren, fügte Franigo in der entstandenen Stille hinzu: »Oder fürchtet Ihr Euch?«
Das Gesicht des Adligen lief puterrot an. Mit vor Zorn zitterndem Finger wies er auf den Poeten, der lächelnd und einladend die Arme ausbreitete. Dann jedoch erklangen Worte, mit denen er nicht gerechnet hatte: »Packt ihn!«
Die Knechte stürmten vor, und fast hätte Franigo seinen Degen nicht schnell genug aus der Scheide bekommen. Doch Serge sprang vor ihn und schlug den ersten Angreifer mit dem Griff seiner Sichel einfach nieder. Der zweite stach mit einem rostigen Bajonett auf den Poeten ein, doch der wich der Attacke geschickt aus und trieb dem Mann seinen Degen ins Bein. Es war nur eine Fleischwunde, doch sie sandte den Knecht schreiend zu Boden. Schon wollte Franigo frohlocken und den Adligen seine Verachtung mit wohlgewählten Worten spüren lassen, da krachte ein Schuss.
Serge sank auf ein Knie. Die Sichel glitt aus seinen Fingern. Dann klappte der große Mann einfach zusammen und fiel auf
den schmutzigen Boden. Entsetzt blickte Franigo erst zu dem Toten, dann zu dem Gutsherrn, der seine Klinge gezogen hatte. Ohne
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