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Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Titel: Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Stunde erlebt hatte, war er ihm zum Schluss muffig und düster erschienen, wie die Gefängniszelle, in der er Imerol besucht hatte. Sein Drang nach Freiheit und Abenteuer war schließlich mit jeder Stunde, jeder Minute, ja mit jedem Schlag seines Herzens gewachsen, wie er sich bald eingestehen musste. Die weite Welt lockte ihn wieder, und ihr Gesang klang süß und unwiderstehlich.

    Im Hof war es hell, ein scharfer Unterschied zum Schankraum, und Franigo nahm diese äußere Erleuchtung als ein Zeichen der inneren, die ihn zum Aufbruch drängte. Die strahlende Sonne erschien ihm wie ein Omen, und ihr Gleißen wies ihm den Weg, fort von Lethargie und Passivität, hin zu dem großen Schicksal, das dort draußen unvermeidlich auf ihn wartete.
    Seine Bestimmung lag nicht in diesem Gasthaus, so sehr er den Aufenthalt auch genossen hatte, dessen war er sich stets sicher gewesen. In letzter Zeit war er wieder von der Muse geküsst worden, und die launische Dame hatte sicherlich nicht Aiteas Züge getragen – welch eine gute Seele diese auch sein mochte. Vielmehr war in ihm die stetig wachsende Gewissheit herangereift, dass sein Leben in Cabany nicht sein Ende gefunden hatte. Und solange er lebte, war sein Geist eine Waffe, mindestens so scharf wie der Degen an seiner Seite. Sein letztes Stück war noch nicht geschrieben, sein letzter Reim noch nicht verfasst. Die Geschehnisse in Cabany waren nicht mehr als ein zeitweiliger Rückschlag gewesen, kaum mehr als eine kleine dramatische Wendung, die jeden Helden einmal ereilte, damit das Publikum mit ihm mitfiebern konnte und sich umso mehr des endgültigen Triumphes erfreute.
    Eines hatte Franigo erkannt: Seine Werke bildeten das Leben ab und dementsprechend das Leben seine Werke. Was er schrieb, konnte wahr werden, zumindest in einem gewissen Sinne, und es wäre ein Verbrechen gewesen, der Welt seine Worte weiter vorzuenthalten, nur weil er sich in falsch verstandenem Selbstmitleid im Favare verkroch und seine Wunden leckte.
    Es zog ihn nach Süden, in seine Heimat, wo die Menschen ehrlicher Wortkunst gegenüber noch aufgeschlossen waren und ihren Geschmack nicht an den Vorlieben der Hofschranzen aus Cabany orientierten, die ein gutes Theaterstück nicht von
einem Stück Käse unterscheiden konnten. Redliche, einfache Hiscadi, an deren Händen noch die Erde ihrer Felder klebte, wenn sie ins Theater gingen. Ein wenig wie Serge, der Schnitter, und seine Kumpanen, nur weniger rau und ungebildet vielleicht. Nun gut, die haben sicher noch kein Theater von innen gesehen; ein wenig mehr Gold sollten meine Zuschauer schon besitzen .
    Obwohl Serge und die seinen also kaum als Empfänger von Franigos künstlerischen Gaben in Frage kamen, war er ihnen dennoch zu Dank verpflichtet; ihre wohlwollende Aufnahme seiner Lieder und Gedichte, so einfach und ungehobelt sie auch gewesen sein mochten, hatte ihm sein Wissen um sein Können zurückgegeben. Er hatte nichts verloren, weder die Fähigkeit, stets das treffende Wort zur rechten Zeit zu finden, noch die Lust am Fabulieren und schon gar nicht den Biss, den ein Poet seines Formats benötigte.
    Auch wenn sich auf längeren Gängen Franigos Hinken stärker bemerkbar machte, fiel ihm der Weg leicht. Das Gefühl von Selbstbestimmtheit und auch Bestimmung beflügelte seine Schritte, und schon bald ertappte er sich dabei, wie er ein kleines Liedchen vor sich hin sang, eine simple Weise, auf die er selbst neue Worte dichtete, während er voranschritt. Die Sonne kitzelte mehr, als dass sie brannte, ein leichter Wind trocknete den Schweiß auf seiner Stirn, und die Landschaft breitete sich vor ihm aus wie ein gedeckter Tisch, von dem er sich nur bedienen musste. Unglücklicherweise hatte er allerdings Modestine zurücklassen müssen, da sie mittlerweile noch schlimmer als ihr Herr lahmte und für weite Reisen nicht mehr zu gebrauchen war.
    Die meisten Felder waren bereits abgeerntet, und die Stoppeln ragten aus der dunklen Erde. Einfache Mauern aus Bruchsteinen schufen ein Gewirr aus Flächen, und Olivenbäume standen auf den sanften Hängen, ihre Äste in den wildesten Formen in die Höhe reckend. Hier und da waren abseits der
Straße Gutshöfe zu erkennen, aus deren Schornsteinen sich Rauch zum Himmel kräuselte. Wolkenbänder zogen vor dem ewigen Blau dahin, doch nur selten schoben sie sich vor die Sonne und spendeten Franigo kurz die ersehnte Abkühlung.
    Die anstrengende Reise verlangte bald ihren Tribut, und Franigo machte Rast unter einer

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