Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
kleinen Gruppe von Olivenbäumen. Er kletterte gewandt über eine Mauer, um in ihren Schatten zu gelangen, und fühlte sich dabei, als habe er bereits ein ordentliches Stück Weg zurückgelegt. Die Tatsache, dass Aiteas Gasthof noch recht nah wirkte, schob er auf die äußerst klare Luft, die Blicke in weite Entfernungen erlaubte und so das Auge narren konnte.
Wie erwartet, befanden sich in seinem Proviantbeutel nur die feinsten Leckereien; zumindest waren sie das am Standard von Aiteas Schänke gemessen. Der Poet, der schon aus der Speisekammer eines Princiess gelebt hatte, labte sich an den einfachen Köstlichkeiten und verlachte innerlich die protzsüchtigen Géronaee, die ein derart einfaches und dennoch so schmackhaftes Mahl nicht zu schätzen wussten.
Nach seiner Rast schritt Franigo frohen Mutes weiter. Sein Fuß schmerzte kaum, wenn er richtig auftrat, und das Gefühl, sein eigenes Leben wieder in der Hand zu haben, tat das seine, um die Strapazen einer Reise zu Fuß zu lindern. Nun war er kein Spielball größerer Mächte mehr, deren Intrigen sein Dasein beinahe beendet, zumindest aber zeitweise ruiniert hatten.
Erst als er ein Stück die Straße hinunter einer großen Aufregung gewahr wurde, kehrte er aus den Phantasien zurück, in denen er den arroganten Laffen in Cabany mit seiner Kunst das Lachen austrieb.
Vor ihm senkte sich das Land in ein weites, offenes Tal ab, dessen sanfte Hänge mit Feldern und Gärten besetzt waren. Die Straße wand sich hinab zu einem schmalen Fluss, der im Sonnenlicht glitzerte, und in der ruhigen Schönheit der Landschaft
lag ein prächtiger Gutshof, der Franigos Aufmerksamkeit nun auf sich zog. Vor dem Eingang zu dem Anwesen hatte sich eine Menge zerlumpter Gestalten versammelt, die sich bis auf die Straße drängten. Viele hielten Sensen in ihren Händen, einige schüttelten diese sogar zornig, und alle schienen lauthals zu fluchen und zu schreien, so dass eine Welle von Unflätigkeiten über Franigo hinwegbrandete, als er sich näherte.
Im Hof des Anwesens, der Menge gegenüber, stand eine Handvoll Männer, die nicht weniger erregt wirkten, nur dass diese nicht nur mit Arbeitsgerät bewaffnet waren, sondern tatsächlich zwei von ihnen Musketen in den Händen hielten, während der Rest lange Stäbe trug.
Stets neugierig, blieb Franigo schließlich stehen, doch sein Erscheinen war von keiner der beiden Parteien bemerkt worden, die offenkundig in einen heftigen Disput verwickelt waren, der – wie sollte es anders sein? – Geld zum Thema hatte. Aus den wenigen verständlichen Wortfetzen reimte der Poet sich zusammen, dass es um Lohnforderungen ging, die berechtigt oder unberechtigt waren, je nachdem, welche Seite gerade sprach. Oder vielmehr schrie, denn ein normales Gespräch hatten die Kontrahenten zugunsten erhöhter Lautstärke hinter sich gelassen.
Die Argumente waren wenig mehr als Beleidigungen des Gegenübers, und keine Seite schien gewillt zu sein, von ihrem Standpunkt abzuweichen. Eine kurze Zeit lang besah sich Franigo die Szene amüsiert, dann begann er, sich zu langweilen, und besann sich, dass er noch einen weiten Weg vor sich hatte. Gerade wollte er sich abwenden, da brüllte man seinen Namen: »Franigo!«
Überrascht und verwirrt suchte der Poet den Sprecher und sah Serge, den Schnitter, der mit hochrotem Kopf und wildem Blick auf ihn zugestürmt kam und rief: »Da! Der da kann uns helfen! Der kann reden!«
»Das kann ich sicherlich, Serge«, erwiderte der Poet abwehrend und trat einen Schritt zurück, da er befürchtete, von dem großen, derart wütenden Mann ansonsten einfach umgerannt zu werden. Doch Serge kam kurz vor ihm zum Stehen und packte ihn an der Schulter.
»Erklär’ dem Bastard da, dass wir noch Geld bekommen«, bat er in einem so entschlossenen Tonfall, dass der Adjutant des Princiess den schweren Mann darum beneidet hätte.
»Geld?«, versuchte Franigo Zeit zu erkaufen. Auf keinen Fall wollte er in diese Angelegenheit hineingezogen werden. Sein Schicksal erwartete ihn just jenseits des Horizonts, und es war sicherlich nicht seine Aufgabe, den Advokaten für einige Wanderarbeiter zu spielen.
»Unser Lohn! Er hat einfach Essen und Schlafen abgezogen, und uns ist nix geblieben!«
»Ich weiß nicht …«, hub der Poet an, doch Serge zerrte ihn bereits durch die Reihen der Schnitter, und es wäre einfacher gewesen, sich gegen die Flut des Meeres zu stellen, als seinem Griff zu entkommen. Um sich herum sah Franigo bärtige Gesichter,
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