Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
eine Ironie der Geschichte gewesen, dass der alte Mann sich ausgerechnet im Mausoleum seiner Mutter vor den Augen der Welt verborgen hatte.
Es kostete Tareisa weit mehr Kraft, das Portal zu öffnen, als sie es gewohnt war. Die Vigoris floss in das schwarze Eisen, und es nahm sie gierig auf. Dahinter waren die Gänge dunkel. Es genügte der winzigste Hauch eines Zaubers, um
den Lichtern neues Leben zu schenken, wenn auch eines, dessen Dauer begrenzt war. Vielleicht das letzte Aufleuchten in der Dunkelheit, bevor alles in Vergessenheit geriet.
Tareisa schritt weiter. Sie hatte keine Augen für die Schönheit der Mosaiken, und die Geschichten von der Macht und der Pracht der Nigromantenkaiser, die sie erzählten, waren ihr ohnehin geläufig. Heute war sie nicht an diesem Ort, um dessen Schönheit zu bewundern oder sich, wie früher, von der Kraft berauschen zu lassen.
Sie ging durch verlassene Korridore, deren Lichter vor ihr aufglühten und hinter ihr erstarben. Treppen führten sie tiefer hinab, bis in die Kaverne, in der noch genug ambiente Vigoris gefangen war, um ihre zahllosen Lichter flackern und glühen zu lassen. Einst hätte man an diesem Ort die Augen vor der Helligkeit verschließen müssen.
Ein Hauch von Bedauern keimte in Tareisas Gedanken. Die Wunder dieses Ortes würden verlorengehen. Niemand würde sie wohl je wieder aufleben lassen.
Doch auch deshalb war sie nicht hier. Sie schritt durch die Halle, zu einer kleinen Pforte, deren Dunkel sich beinahe in den Schatten verloren hätte. Dahinter lag ein kleiner Raum, in dem es so sehr stank, dass Tareisa unwillkürlich die Nase rümpfte.
Das Wasser des Beckens war noch brackiger geworden. Seine Oberfläche schimmerte ölig. Inmitten der dunklen Brühe trieb der Körper der Frau, so weiß, dass er beinahe leuchtete, mit durchscheinender Haut, die jedes Detail des Leibes darunter freigab. Ihre Augen waren geschlossen, die Glieder regungslos, aber Tareisa spürte, dass sie noch lebte. Solange die Vigoris nicht völlig entschwunden war, würde die Magie diesen Leib mit Leben erfüllen.
Tareisa kniete neben dem Becken nieder. Vielleicht lag es am Rascheln ihrer Kleidung, vielleicht an einem Lufthauch,
ausgelöst durch ihre Bewegungen – die Frau öffnete die Augen. Doch sie starrte nicht in die Ferne, wie sie es sonst immer getan hatte. Ihr Blick wanderte zu Tareisa. Ihre Lippen bewegten sich, suchten Worte, und endlich, nach quälend langer Zeit, fanden sie welche: »Ich bin Tanára.«
»Ich weiß«, flüsterte Tareisa.
Der Arm der Frau bewegte sich, langsam und schwerfällig, ihre Finger öffneten sich, und Tareisa beugte sich vor und ergriff sie.
»Ich bin Tanára.«
Tareisa nickte. Sie konnte nicht mehr sprechen. Das Bild der Frau verschwamm vor ihren Augen, als ihr Tränen über die Wangen liefen.
»Ich bin Tanára.«
Es bedurfte nur eines kleinen Zaubers, kaum mehr als ein Gedanke, und die Vigoris, die die Frau an diesen Ort fesselte, verlor ihre Form, löste sich auf und zerstob.
Sie tat noch einen letzten, langen Atemzug, dann schloss sie die Augen und sank unter Wasser.
Es dauerte lange, bis Tareisa die kalt gewordene Hand der Frau losließ und sich erhob.
Staub wirbelte zu ihren Füßen auf, als sie ein letztes Mal durch die Ruinen schritt und die Vergangenheit für immer hinter sich ließ.
DANKSAGUNG
Bericht von fernen Gestaden
Nach drei Etappen haben wir nun das Ziel erreicht. Es war eine lange und wechselhafte Reise, mit gefährlichen Untiefen, freudigen Überraschungen und großartigen Erfahrungen. Allein kann man eine solche Reise niemals zu einem glücklichen Ende führen.
Deshalb danke ich allen, die daran beteiligt waren. Unsere Navigatorin Uta Dahnke hat es uns erst ermöglicht, unser Ziel zu erreichen. Die Säulen der Gemeinschaft, Sascha Mamczak, Martina Vogl und Sebastian Pirling, haben durch ihre unschätzbare Unterstützung mit zum Erfolg der Reise beigetragen. Auch Natalja Schmidt und Julia Abrahams, Agentinnen Ihrer Majestät, erfahren mit Mantel und Degen, waren maßgeblich an der Unternehmung beteiligt.
Das Ende einer Reise ist immer ein Ereignis, das von gemischten Gefühlen begleitet wird. Man erreicht das langersehnte Ziel, lässt aber ebenso einen wichtigen Abschnitt hinter sich. Freude und die Trauer des Abschieds mischen sich. So geht es auch uns, die wir nun zu neuen Ufern aufbrechen.
Wir hoffen, dass die Reise allen, die uns begleitet haben, ebenso gefallen hat, und dass ihnen die Sturmwelt in guter
Weitere Kostenlose Bücher