Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
verriet endlich seinen Zorn, als er sich neben Maecan stellte. »Der Tod war nie meine Aufgabe«, sagte er. »Doch heute ist er es.«
Seine Hand legte sich auf die Schulter des Alten. In unheimlicher Stille fiel Maecan langsam nach hinten.
Jaquento trat neben seinen Freund und blickte auf die Leiche des Alten hinab. Jetzt, da Bihrâd die Magie aufgehoben hatte, die Maecan Hunderte von Jahren am Leben gehalten hatte, war dieser nur mehr ein uralter Mann, dünn, ausgezehrt und mit papierener Haut.
»Es tut mir leid«, murmelte Jaquento. »Ich weiß, dass du deinen Fluch hinter dir lassen wolltest.«
Bihrâd sah ihn lange an, dann senkte er den Kopf. »Am Ende zählt nicht der Fluch, der auf jedem von uns liegt. Am Ende zählt nur, was wir mit unserem Leben anfangen.«
Um sie herum ebbte der Lärm der Schlacht ab. Das Donnern der Kanonen erstarb, der Wind wehte Nebel und Rauch fort, und der Blick öffnete sich für die endlose Weite der See.
FRANIGO
Der Papierstapel war mittlerweile auf eine beachtliche Höhe angewachsen, und ähnlich verhielt es sich mit Franigos Stimmung. Seine Feder kratzte nur so über die Blätter, fügte Wort an Wort, dass es eine Freude war. Lange hatte er mit sich gehadert, ob er für dieses Werk tatsächlich seiner geliebten Dramatik abschwören sollte, aber schließlich hatte der Stoff selbst den Ausschlag gegeben. Zusammen mit einem Vorschuss, den ihm ein namhafter Verleger aus Cabany bezahlt hatte.
Selbstverständlich war das Geld bei seinen Überlegungen der weniger wichtige Aspekt gewesen. Viel schwerer hatten die künstlerischen Überlegungen gewogen, denn nur in der Form eines Romans ließ sich die wahnwitzige Geschichte des letzten Nigromantenmagiers erzählen. Andererseits war es nicht ausgeschlossen, dass Franigo den Stoff für die Bühne umarbeiten konnte, wenn es denn Bedarf gab. Ja, die Aussichten sind wahrlich rosig für einen Mann mit einigem Talent.
Sein Blick fiel auf das Bett, dessen Laken noch ganz zerwühlt waren. In der Nacht hatten sie voneinander Abschied nehmen müssen, und es war entsprechend leidenschaftlich geworden. Als er am Morgen erwacht war, war sie bereits fort gewesen; nur ihr Duft hatte ihn noch umgeben, lockend und voller Versprechungen. Seit Wochen verbrachten sie
nun schon ihre Nächte gemeinsam, und Franigo fühlte noch immer, wie allein ihr Duft bereits seinen Körper in einen durchaus angenehmen Schwindel versetzte. Nein, allein der Gedanke, dass sie gestern noch in diesem Bett lag, bringt mein Blut in Wallung. Faszinierend!
Wohin Tareisa vor Sonnenaufgang aufgebrochen war, hatte sie ihm nicht sagen wollen. Es war nur eins der vielen Geheimnisse, die sie umgaben und die seine Fantasie anregten. Tareisa hatte gesagt, dass sie in wenigen Tagen zurückkehren würde, aber der Poet hatte schon jetzt das Gefühl, dass er so lange nicht auf sie verzichten konnte.
Also schrieb er weiter. Seine Geschichte war groß, sie umspannte die halbe Welt und tausend Jahre. Wo es sein musste, nahm er kleine Veränderungen vor, aber diejenigen, die Teil der Ereignisse gewesen waren, kannten schließlich die Wahrheit, und alle anderen mussten sie nicht in all ihrer Bitterkeit erfahren. Sein Roman würde die Geschichte wiedergeben, wie sie erzählt werden sollte : wie eine Gemeinschaft von heldenhaften Gestalten sich dem letzten und mächtigsten der Nigromantenmagier heldenhaft in den Weg stellte und diesen schließlich besiegte.
Die Feder kratzte über das Papier. Die Wahrheit würde im Besitz einiger weniger bleiben, aber das störte Franigo nicht. Ihm ging es um ein höheres Gut: die künstlerische Wahrheit. Er fing sie mit seiner Feder ein, bannte sie auf Papier, und schon bald würde sie gelesen werden, und jeder würde um sie wissen. Sie war glorreicher als die Wahrheit, weniger profan, und obwohl ihre Lektüre berühren konnte, schmerzte sie weniger.
Während der Poet schrieb, ging das Leben vor seinem Fenster seinen Gang. Die Menschen von Cabany weinten und lachten, handelten und tranken, freuten und stritten sich. Die Gusemisten hatten den letzten Machtkampf verloren.
Nun herrschte die Armee oder, besser gesagt, ein junger Marschall aus Gavere, und die Massen jubelten ihm zu. Es hieß, dass er die große Armee antreten lassen würde, um die abtrünnigen Ländereien wieder unter géronaische Herrschaft zu bringen. In Hiscadi rüstete man sich bereits und bereitete sich auf das Unausweichliche vor, während Thaynric einerseits unverbrüchliche Treue zu
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