Sturz der Marionetten: SF-Thriller
erkennen, wenn man es mit interstellaren Entfernungen zu tun hat, aber ich hatte mir die Daten und Zahlen reingewürgt und herausgefunden, dass das Massaker auf Bocai exakt zur selben Zeit wie eines der früheren Vlhani-Balletts stattgefunden hatte.
Aber nun, da ich hier war, hatte ich keine Ahnung, was ich als Nächstes tun sollte. Diese Mission am Rande, die Unterstützung von Derek Schiff, war das, was einem Wegweiser noch am nächsten kam. »Könnte es so einfach sein, Liebes? Könnte es wirklich auf dieses vermisste Mädchen hinauslaufen?«
»Wahrscheinlich nicht, aber es könnte darauf hinauslaufen, dass wir nicht die Art von Leuten sind, die es einfach im Stich lassen.«
Ich schnaubte verächtlich. »Du meinst, die Menschheit überlebt, wenn wir eine Art moralischen Test bestehen? ›Wir erkennen nun, dass ihr etwas Besonderes seid, dass ihr euch in eurer Bereitschaft, Opfer zu bringen, von allen anderen Spezies im Universum abhebt ...‹ Blah, blah, blah, ich weigere mich, so etwas zu glauben. Das ist einfach zu sentimental, um es zu glauben.«
»Das ist mir bewusst, aber es ist auch alles, was mir bleibt.«
Wir flogen in die nächtliche Hemisphäre und konnten nicht mehr sehen, welche Landschaften wir passierten; nichts leuchtete zu uns herauf, da war weder künstliches Licht noch eine Reflexion eines Sternenhimmels.
Vor zwölf Jahren, als das Ballett nur ein bizarres außerirdisches Ritual war - faszinierend genug, dass die Holos und Neurecs, die von den Wissenschaftlern von der jährlichen Aufführung angefertigt wurden, sich als heiße Handelsware auf Zehntausenden von Welten erwiesen -, hatte sich niemand Gedanken über die moralische Seite gemacht. Ein Haufen außerirdischer Wanzen, die sich gegenseitig im Namen der Kunst abschlachten? Wie faszinierend - und übrigens, wenn du aufstehst, geh doch bitte in die Küche und hol mir was zum Knabbern.
Aber dann tauchte eine seltsame Frau namens Isadora auf, entschlossen, gemeinsam mit den Einheimischen aufzutreten und zu sterben. Sie bezeichnete das Ballett als ihr großes Werk, ihr Geschenk an das Universum, dessen wahre Bedeutung nicht bekannt werden sollte, ehe das letzte Ballett getanzt war, was erst in vielen Tausend Jahren geschehen würde. Sie behauptete außerdem, sie habe einen entscheidenden Fehler in der Darbietung der Vlhani entdeckt, den nur sie korrigieren könne.
Das ergab keinerlei Sinn. Es sollte gar nicht möglich sein, dass irgendein nicht dazu ausgebildeter Mensch den Vlhani auch nur seine Absichten erklären konnte, nachdem jahrzehntelange, harte Arbeit seitens zehn verschiedener intelligenter Spezies nicht gereicht hatte, unser aller Verständnis der Sprache der Vlhani über das Stadium bloßer Babysprache hinauszubringen. Aber Isadora fand einen Weg, sich mit den passenden chirurgischen Modifikationen auszustatten, und demonstrierte ein Verständnis für die Vlhani-Sprache, gegen die alles, was das Multi-Übersetzungsprojekt je erreicht hatte, schlicht verblasste.
Botschafter Dhijus logische Reaktion bestand darin, sie gewaltsam aus dem Ballett zu holen und zu ihrem eigenen Besten in Schutzhaft zu nehmen.
Dreißig Menschen starben, als die Vlhani im Gegenzug die Botschaft stürmten.
Isadora entkam und nahm an dem bereits laufenden Ballett teil. Sie starb, wie sie es ihren eigenen Worten zufolge beabsichtigt hatte, und wurde im ganzen bekannten Weltraum als so etwas wie eine tragische Heldin berühmt.
Nicht lange danach trafen Tanzpilger, entschlossen, in die Fußstapfen ihres Idols zu treten, auf Vlhan ein, erst in kleinen Gruppen von zwei oder drei Personen, dann zu Zehntausenden. Inzwischen gab es über eine Million von ihnen an diversen Orten überall auf Vlhan.
Früher an diesem Tag, noch bevor wir die Botschaft aufgesucht hatten, hatte Hammersmith uns zu ihrer größten Siedlung gebracht, einer Küstenstadt, die sie Nurejew nannten. Dort waren Zehntausende von ihnen gewesen und hatten in den Salzpfannen in der Nähe ihrer Zelte und Hütten sonderbare Tanzformationen aufgeführt. Sie waren alle geborene Menschen, aber die meisten hatten sich chirurgischen Modifikationen unterzogen wie der, die Isadora hatte vornehmen lassen, um ihre Körper für den Vlhani-Tanz zu rüsten. Menschlichkeit war also etwas, das sie alle Schritt für Schritt in unterschiedlichem Maß hinter sich gelassen hatten. Viele sahen dennoch recht normal aus, solange sie nicht tanzten. Für das bloße Auge manifestierten sich ihre Modifikationen
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