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Sturz in den Tod (German Edition)

Sturz in den Tod (German Edition)

Titel: Sturz in den Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Gebert
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Doch,
Nina hatte Frau Bergmann beklaut. Frau Bergmann, die immer so großzügig zu ihr
gewesen war und zu ihrer Mutter all die Jahre zuvor. Nichts rechtfertigte
diesen Diebstahl, der sich deutlich von ihren sonstigen kleinen Klauereien von
Lippenstiften oder Wimperntusche unterschied. In »ihrem« Zimmer im Haus ihrer
Mutter, in das sie vor ein paar Wochen wieder eingezogen war, hatte Nina immer
wieder heimlich das Geld betrachtet und gespürt, dass sie sich nicht daran
würde erfreuen können. Sie mochte dieses Geld nicht mehr haben, sie würde es
zurücklegen.
    Vorsichtig schloss sie die Tür auf.
    Die Balkontür stand weit offen. Frau Bergmanns Teetasse stand draußen
auf dem Tisch. Heute war ein für diesen bisherigen Juni ungewöhnlich warmer
Morgen. Keine Wolke am Himmel, die Ostsee fast spiegelglatt. Die » MS  Peter Pan« fuhr gerade aufs Meer hinaus,
vorbei an der »Passat«. Kein Wunder, dass die Bewohner des Maritim für diesen
Blick bereitwillig so viel mehr Geld bezahlten als für eine Immobilie ohne
Meerblick in Travemünde.
    Außerdem war man in diesem Turm, wie Nina das Hochhaus nannte,
eingebettet in ein Hotel, mit Pförtnern, die niemanden hineinließen, der nicht
hineingehörte. Man war eingeladen, auch die anderen Annehmlichkeiten des Hotels
zu nutzen: Sauna, Schwimmbad, Tiefgarage, den im Maritim ansässigen
Frisiersalon, Kosmetik, Massage, die Restaurants, den günstigen Mittagstisch im
Pub, oder abends einfach, ohne sich extra einen Mantel überziehen zu müssen,
mit dem Fahrstuhl in die Night-Sailor-Bar hinunterzufahren, um bei Livemusik
noch einen Absacker zu trinken. Oder im Bademantel ins Freie hinauszutreten und
nach wenigen Schritten am Strand zu sein und im Meer schwimmen zu können. Der
pure Luxus, den Frau Bergmann und ihr Mann vor achtunddreißig Jahren hatten
bezahlen können.
    Nina überlegte, ob sie neidisch auf Frau Bergmann war. Sie
beschloss, dass sie es nicht sein wollte.
    Zum kleineren Schlafzimmer stand die Tür offen. Es irritierte Nina,
dass das breite Bett zerwühlt war. Die feine Bettwäsche war in Schwarz und Gold
gehalten, Motive von Versace. In Nina stieg der Impuls auf, das Bett zu richten
und mit dem großen cremefarbenen Überwurf zu bedecken. Frau Bergmann hatte sich
noch nie ein Bett von Nina machen oder beziehen lassen, im Gegensatz zu anderen
Leuten, bei denen sie und ihre Mutter putzten. Nina riss sich zusammen. Sie war
heimlich hier.
    Sie ging zum Schrank im zweiten Schlafzimmer und merkte sich genau,
wie die Tasche stand und wie die Mäntel darüber hingen. Sie öffnete vorsichtig
den goldenen Verschluss mit dem stilisierten Engelskopf und schob die
Geldscheine zwischen die vielen anderen Scheine zurück, verschloss die Tasche,
den Kleiderschrank und die Wohnung.
    Danach stand Nina erleichtert in der unter Frau Bergmanns Wohnung
gelegenen Abstellkammer und sah durch das Fernglas. Ein paar Segelboote
dümpelten bei Flaute vor sich hin. Vielleicht sollte sie ab heute täglich in
der Ostsee schwimmen, überlegte Nina, wenn sie nun schon mal zurück in
Travemünde war und das Meer so dicht vor der Tür hatte. Die meisten
Einheimischen gingen kaum noch zum Strand und erst recht nicht ins Wasser,
vielleicht, weil sie es jeden Tag tun könnten, wenn sie nur wollten, vielleicht,
weil der Alltag viele vergessen ließ, dass sie am Meer lebten.
    Heute musste Nina insgesamt drei Wohnungen im Maritim putzen, von
Eigentümern, die gelegentlich übers Internet vermieteten, weil sie selbst die
Bleibe im Maritim kaum nutzten und durch Vermietung wenigstens einen Teil der
Unkosten reinholen konnten. Ninas Mutter bekam dann die zwischen Vermieter und
Gästen vereinbarte Summe für die Endreinigung ausbezahlt.
    Bereits zwei Stunden später brachte Nina die Putzutensilien in die
Kammer zurück. Es war ein Leichtes gewesen, die Wohnungen zu reinigen, weil
keiner der Gäste die Endreinigungssumme zum Anlass genommen hatte, das
Apartment verdreckt zu hinterlassen. Fürs Erste Feierabend, dachte Nina und
stellte sich mit dem Fernglas ans Fenster. Doch sie musste heute ihrer Mutter
noch bei der Buchhaltung helfen, und sie selbst sollte endlich mal wieder ihre
Akquisebemühungen intensivieren, um an mehr Aufträge als Übersetzerin zu
kommen, damit sie ihre kleine Wohnung in Hamburg halten konnte. Seit Tagen
hatte sie das vor, doch sie konnte sich momentan nicht dazu aufraffen. Am
liebsten würde sie gar nichts mehr tun. So wie Frau Bergmann. Viel Geld
besitzen und bis ans Lebensende

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