Sturz in die Vergangenheit
Lächeln zustande. „Als Krimi.“
„Wie?“, fragte Wolfgang und starrte auf die Seiten in seiner Hand. „Wie willst du daraus einen Krimi machen?“
„Ich weiß es noch nicht.“ Matthias verdrehte die Augen. „Aber ich bin nun mal Krimiautor.“ Er deutete auf seine Stirn. „Hier drin brodelt der Plot, irgendwo unter der Oberfläche. Ich kann ihn fühlen, nur entwischt er mir immer wieder. Der Psychiater hatte mir geraten, alles aufzuschreiben. Das tue ich jetzt endlich, auf meine Weise. Der Krimi wird dann zwar recht autobiografisch, aber das macht nichts. Ich werde alles verfremden.“
„Ah ja“, nickte Wolfgang. „Und deswegen heißen deine Hauptfiguren Matthias und Lida.“
„Ach, jetzt stell dich nicht so an“, rief Matthias ungeduldig aus. „Das ist doch nur der Rohentwurf. Ich werde andere Namen erfinden.“ Er rupfte Wolfgang die Blätter aus der Hand, griff nach einem Stift, der auf dem Kreuzworträtsel der Zeitung lag, und strich seinen eigenen Namen im Manuskript fett aus. „Mich nenne ich“, er dachte kurz nach. „Mattis.“
„Sehr kreativ“, lobte Wolfgang mit vor Sarkasmus triefender Stimme. „Aus Matthias wird Mattis. Dann wirst du Lida sicher Ludmilla nennen.“
Matthias sah seinen Freund böse an. „Und wenn?“
„Kein Mensch wird dich in dieser Geschichte wiedererkennen.“ Wolfgang blätterte in den Seiten. „Aus welchem Zylinder willst du eigentlich den Krimi zaubern? Ich kann hier nur lesen, was wirklich geschehen ist.“
„Mattis kehrt zur Höhle zurück, um die Fledermäuse zu vernichten, die seinen“, Matthias stockte kurz, entschloss sich dann aber, einfach weiterzusprechen, „seinen Sohn getötet hatten. Dabei findet er eine Leiche.“ Er zog das letzte Blatt aus dem Stapel und wies mit dem Finger darauf. „Voilà. Und schon haben wir einen Krimi.“
„Eine Leiche macht noch keinen Krimi“, widersprach Wolfgang. „Du brauchst ein paar Verdächtige.“ Er sah Matthias an, der lächelnd den Kopf schief gelegt hatte. Als Wolfgang verstand, kniff er die Augen schlitzförmig zusammen. „Du bist der Verdächtige?“
„Exakt“, nickte Matthias. „Und Lida natürlich. Aber wir sind ebenso natürlich unschuldig.“
„Natürlich“, bestätigte Wolfgang sofort und in einem Ton, als würde er zu einem Kranken sprechen. „Verrätst du mir den Mörder?“
„Den weiß ich noch nicht“, musste Matthias, der sich über die mangelnde Begeisterung seines Freundes ärgerte, unwillig zugeben. „Das ist der Grund, warum ich dort hinauf muss.“ Er wies wieder mit der Hand auf seinen Kopf. „Mir fehlt die Inspiration. Dann krieg ich es schon hin.“ Er griff nach der Tasse, goss Milch auf den Kaffee, bis hinauf zum Rand. Dann setzte er sie an und trank.
„Hast du Lida von deinem Plan erzählt?“
Matthias verschluckte sich, hustete. „Warum?“
„Weil du eure Geschichte aufschreiben und irgendwann sogar öffentlich machen willst. Das musst du doch mit ihr besprechen.“
„Ich schreib unter Pseudonym“, erklärte Matthias. „Niemand wird sie oder mich darin erkennen.“
„Das ist ihr gegenüber nicht fair. Es betrifft sie doch genauso wie dich.“
Matthias schnaubte. „Wolfgang, es betrifft sie gar nicht. Sie ist glücklich. Glücklich verheiratet, glückliche Mutter von zwei tollen Kindern, glückliche Ehefrau. Sie hat Elias' Tod verwunden.“
„Das entscheidest du?“, fragte Wolfgang scharf. „Wie stellst du das fest? Gehst du nach dem Augenschein? Wenn Lida lacht, ist sie glücklich, oder? Wenn sie sich um ihre beiden Kinder kümmert, trauert sie nicht mehr um das eine, das gestorben ist. Ist es das, was du glaubst?“
Matthias ließ den Kopf hängen. „Sie ist so schnell zu ihm zurückgekehrt“, sagte er leise.
„Nachdem du sie ein Dreivierteljahr lang nicht angerührt hast“, Wolfgang starrte Matthias aufgebracht an. „Sie wollte mit dir trauern. Aber du hast dich in dein Schneckenhaus zurückgezogen und warst unerreichbar. Sie war doch, genau wie du, völlig untröstlich.“
„Ja, und weil sie so untröstlich war“, Matthias sprang auf und brüllte voller Verbitterung, „deswegen hat sie sich mit ihrem Ex getröstet.“
„Iven hat auch getrauert“, schrie Wolfgang zurück. Auch er war aufgesprungen und funkelte Matthias an. „Du hast das Leid der Welt nicht gepachtet. Es war für alle Beteiligten schlimm.“
„Stimmt.“ Matthias machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich vergesse immer wieder, wie sehr Iven an Elias
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