Sturz in die Vergangenheit
geschehen.
„Endlich.“
Er musste auf die Beine. Ihr sagen, wie leid es ihm tat, dass er Elias ... „Kannst du mir verzei...?“
Noch während er fragte, wurden seine Augen von einer Bewegung hinter Lida abgelenkt. Eine Kinderhand schob sich an ihrer Hüfte vorbei nach vorn, dann tauchte ein kleines, von dunklen Locken umrahmtes Gesicht daneben auf.
Matthias fiel auf den Hosenboden zurück. „Elias?“
„Mattich.“
Nein. Das war nicht Elias. Es war Ilya, der jetzt mit hüpfenden Schritten auf ihn zugerannt kam. Und Lida war Mila. Und es war wunderbar, jetzt seine Arme öffnen zu können und den erstaunlich schweren kleinen Knaben in Empfang zu nehmen. Die nach dem eisenhaltigen Bachwasser riechenden Kinderhaare an seiner Wange. Automatisch steckte er seine Nase hinein. Er roch anders als der nach Babyshampoo duftende Elias früher ...
„Du bist wieder da.“ Milas Lächeln war aus ihrer Stimme verschwunden. Nun klang sie reserviert.
Er schüttelte den Kopf, um seine Verwirrung gänzlich loszuwerden und sich wieder einzufinden in diese Welt, in Milas. Blickte zu ihr hinauf. Die sie mit verschränkten Armen, noch immer in einigem Abstand dastand und auf ihn herabsah. Was hatte er getan?
„Habe ich zu lange geschlafen?“ Er rappelte sich auf, den an ihm hängenden Ilya dabei auf seinem Arm haltend. Der Kleine klammerte sich mit allen Vieren an ihm fest und kicherte bei dieser Hängepartie.
„Willst du los?“, konnte er erst aussprechen, als er in der Aufrechten angekommen war. „Du hättest mich doch wecken können.“
„Nein, das konnte ich nicht.“
„Mattich weg“, erklärte Ilya und tippte ihm auf die Nase. „Jez wieda da.“
„Ilya, geh spielen“, griff Mila nach ihm.
Matthias ertappte sich dabei, wie er sich sperrte, ihr den Jungen zu überlassen – dabei war sie seine Mutter. Die doch aber vorher auch nichts dagegen gehabt hatte, dass er sich um Ilya kümmerte.
„Du flackerst bereits“, rief Mila seine Aufmerksamkeit zum Thema zurück. „Du bist nicht mehr stabil in dieser Zeit, sondern verschwindest zwischendurch in deine.“
„Was? Aber ich habe nicht ...“
„Du bekommst das nicht mit, ich weiß. Das ist immer so.“
„Ich war weg?“
Mila hatte sich zwischenzeitlich auf ihren Baumstumpftisch gesetzt, Matthias tat es ihr nach.
„Wenn ein Zeitreisender flackert, ist sein Körper plötzlich verschwunden – um dann aus dem Nichts wieder aufzutauchen“, beantwortete sie seine Frage. „Ich weiß es natürlich nicht – und auch ihr erlebt das anscheinend nicht bewusst – aber wahrscheinlich seid ihr drüben in eurer Zeit. Oder zumindest eure Körper.“
„Hmm.“ Matthias grauste es. Dass er da irgendwo zwischen den Zeiten hing – ohne dass er es mitbekam, geschweige denn Kontrolle darüber hatte – war wirklich beängstigend.
„Normalerweise seid ihr nur für Augenblicke verschwunden. Mehrmals hintereinander, ich nenne es Flackern. Bei dir jedoch ... du warst für Stunden weg. Ich habe geglaubt, du ...“ Sie räusperte sich.Wurde dann abgelenkt von Ilya, der wieder herbeigelaufen kam und sich anschickte, auf Matthias' Schoß zu klettern.
„Geh spielen, Ilya“, wiederholte sie mit mehr Nachdruck.
Sie hatte ja recht. Wie viel auch immer der Kleine von ihrem Gespräch begriff, das Thema war nichts für ihn. Allerdings war Matthias ziemlich sicher, dass Elias an Ilyas Stelle aus Prinzip das Gegenteil von dem getan hätte, was seine Mutter verlangte. Dieser kleine Junge jedoch nickte eifrig und ließ von Matthias ab. Also was Kindererziehung anging, hatten die Mittelaltermenschen der Neuzeit wirklich einiges voraus.
„Jedenfalls muss das bedeuten“, nahm Mila den Faden wieder auf, „dass das Flederfieber bei dir weiter fortgeschritten ist als zu diesem Zeitpunkt üblich.“
„Was ist das für ein Fieber?“ Ein beklommenes Gefühl hatte sich Matthias' bemächtigt. Bisher war er so damit beschäftigt gewesen, sich zu fragen, ob sein Aufenthalt hier denn real war oder nicht, dass er diesen Fledermausbiss mit seinen möglichen Konsequenzen sträflich vernachlässigt hatte. Dabei fühlte er sich wirklich krank – und eigentlich hatte Mila recht gehabt mit ihrer Argumentation vor Sentas Hütte: Seine Befindlichkeit war der Beweis dafür, dass er sich nicht alles nur ausdachte. „Du hast gesagt, diese eigenartige Krankheit hat bewirkt, dass ich hierher gereist bin. Und du hast gesagt, dass ich nicht hier bleiben werde.“
„Das Flackern ist der Vorbote
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