Sturz in die Vergangenheit
dehn!“
„Vorsicht, hast du ihn im Griff?“, wollte Mattis ihm nachspringen – was in ein Stolpern mündete. Er war wirklich nicht gesund heute.
„Keine Sorge“, half Mila ihm auf und freute sich über seinen beeindruckten Laut, als Ilya sich beim ersten Fels des Bachbettes auf den Po fallen ließ und gekonnt auf allen Vieren zwischen den Steinen vorwärts robbte. „Das muss ein Kind können, das unmittelbar am Bach aufwächst“, erklärte sie stolz. „Sonst könnte ich ihn ja nicht einen Moment aus den Augen lassen.“
Ilya war am Wasser angekommen, patschte mit den Händen hinein und leckte seine tropfenden Finger. Zu dieser Jahreszeit rieselte es so schwach über die Steine, dass es für ihn gar nicht so leicht war, die hohle Hand zu füllen. Mila half ihm – und warf Mattis, der ebenfalls durstig trank, einen Seitenblick zu. „Es ist lieb von dir, dass du dich so um Ilya sorgst.“
Weil er so aussieht wie dein Elias, sprach sie nicht aus. Er wusste schließlich, dass es sich bei Ilya und ihr um fremde Menschen handelte – und was machte es für einen Sinn, ihm das ständig vorzuwerfen? „Und ich wiederhole, dass ich dir zu unendlichem Dank verpflichtet bin – auch heute.“
Mattis schüttelte nur kurz den Kopf. „Keine Ursache.“ Er stemmte sich auf die Beine und sah sich um. „Du willst dich bestimmt waschen, oder? Ilya und ich haben das nämlich schon erledigt, stimmt’s, Ilya?“
„Wassen“, kam es begeistert von ihm.
„Wollen wir ein gemütliches Plätzchen für unsere Rast suchen, Ilya? Kommst du mit?“
„Mattich mit“, antwortete der und streckte die Arme aus, um sich über die Steine heben zu lassen.
Nachdenklich sah Mila den beiden nach, die sich wirklich prächtig zu verstehen schienen. Und hörte sich seufzen. Was sie sofort in ein Schnauben übergehen ließ. Sie hatte doch wohl keinen Grund zur Wehmut. Alles war gut. Ilya war in Sicherheit, sie waren auf dem Weg zu Tante Käthe – und Johann betreffend war zunächst kein Zwischenfall mehr zu erwarten. Und selbst wenn, sie würde stark bleiben. Diesmal wirklich.
Ja, ja. Sie spähte den Bachlauf entlang und fand eine etwas größere Mulde, wo sie wenigstens ein bisschen sauberer werden konnte. Nach einem Kontrollblick – Mattis und Ilya waren von hier aus nicht zu sehen – zog sie sich aus und setzte sich, so gut es ging, ins Wasser. Spürte, wie sie erneut errötete, als sie noch Strohhalme an ihren Schenkeln entdeckte.
Johann würde irgendwann zu Tante Käthe kommen, das stand außer Frage. Ebenfalls war klar, dass Mila nicht das Recht hatte, ihm Ilya vollständig zu entziehen. Oder anders herum: Sie durfte Ilya keinen Vater vorenthalten, der reich, mächtig und bereit war, seinen illegitimen Sohn zu unterstützen. Das hieß, dass sie gezwungen war, Johann in einem gewissen Umfang ausgesetzt zu sein. Sie musste eben lernen, damit umzugehen.
In der ersten Zeit würde Mattis noch da sein. Seine Anwesenheit würde ihr helfen, sich gegen Johanns Anziehung zur Wehr zu setzen. Vielleicht könnte sie sogar so tun, als ob Mattis und sie ...? Um Johann eine unanzweifelbare Grenze zu setzen. Mattis sah sie doch ohnedies ständig so an. Also Lida. Das könnte sie ausnutzen. Er würde in absehbarer Zeit ohnedies zu der verschwinden. Aber bis dahin ... würde sie sich innerlich von Johann befreit haben.
Sie drehte sich im Wasser liegend einmal um sich selbst und stand auf. Kleider und Schürze waren zu verdreckt, um sie wieder anzuziehen. Rasch warf sie alles ins Wasser. Anschließend das tropfende Unterkleid überzustreifen, war durchaus angenehm bei dieser Hitze heute. Und nun würde sie auch die Sachen der anderen waschen.
Am Ende hingen neben Milas Sachen auch Ilyas und Mattis' Oberkleider an einer Tanne zum Trocknen.
Das hatte jedoch Mattis übernommen. „Ich kenne mich nicht so aus mit der Zubereitung eurer Mahlzeiten“, hatte er unsicher herumgedruckst, als Mila ihn um seine Kleidung gebeten hatte. „Und ich könnte auch nichts jagen, ich meine, vielleicht könntest du das Essen übernehmen – und im Gegenzug gehen Ilya und ich Wäsche waschen.“
Ein Mann, der sich dazu anbot! Der das überhaupt in Erwägung zog. Das war ihr noch bei keinem anderen begegnet, aus keiner Zeit.
Dabei hatte es für sie gar nichts zum Vorbereiten gegeben. In Mattis' Bündel hatte sie Brot und Käse gefunden, beides vollkommen fertig. So hatte sie nur alles auf einem Baumstumpf aufgebaut und auf die beiden Wäscher
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