Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
das Herz stehengeblieben ist?«
Sie sank gegen ihn, und es war nicht zu übersehen, wie sehr dieser Tag sie mitgenommen hatte. Sie schien einer Ohnmacht nahe. Adam setzte sie neben mir auf dem Dach ab, und sie legte sich zusammengerollt an meine unverletzte Seite; sie zitterte, als wären es minus fünf und nicht plus fünfundzwanzig Grad.
Melvin sah mich an und fragte auf Farsi: »Du bist mit ihr zusammen gesprungen?«
»Habt ihr es gesehen?«, fragte ich mit einem Seitenblick zu Dr. Melvin und zu Dad. Beide nickten. »Mir war nicht klar, dass das überhaupt geht.«
»Wir nennen es Dislokation.« Melvin kam näher, und die Intensität seines Blicks machte mir Angst. »Hör mir zu. Ja, du kannst jemanden mitnehmen, wenn du geschickt genug bist. Aber auf den Teil des Gehirns, den du zum Springen benutzt, können normale Menschen gar nicht zugreifen. Wenn du noch einmal mit ihr springen würdest, jetzt zum Beispiel, dann läge das Risiko, sie dabei umzubringen, bei achtzig Prozent. Ein dritter Sprung danach wäre mit einem hundertprozentigen Todesrisiko verbunden.«
Ich schluckte und wünschte mir, ich hätte das gewusst; andererseits hätte das auch nichts geändert. Ich hätte trotzdem versucht, sie um jeden Preis zu retten.
Wir hörten den Lärm eines näherkommenden Hubschraubers. Sein Rotor wirbelte Schmutz auf, und ich schloss die Augen, damit nichts hineinflog. Ich zwang mich dazu, nur an das kleine Mädchen zu denken, dessen Augen voller Tränen gestanden hatten, als sie mich am Strand zurückließ. Wohin auch immer sie zurückgegangen war, es konnte nicht angenehm gewesen sein, und ich musste ihr irgendwie helfen. Obwohl ich nicht wusste, wann wir uns wiederbegegnen würden. Irgendwann in der Zukunft. Das war mein einziger Anhaltspunkt.
Dad hob Holly in seinen Arm, wartete, bis ich in den Hubschrauber eingestiegen war, und setzte sie dann neben mich. Adam half ihm dabei, Holly anzuschnallen. Durch den Lärm des Helikopters wachte sie schließlich auf und schreckte hoch. Ich lehnte mich in meinem Sitz zurück und versuchte den Schmerz zu ignorieren. Holly nahm meine Hand und legte den Kopf an meine unverletzte Schulter.
Sobald wir in der Luft waren, blickte ich auf das Hotel hinunter. Während ich durch die Zeit gereist und auf dem Dach herumgeklettert war, war ein ganzer Flügel des Gebäudes eingestürzt. Überall standen Feuerwehrautos und Rettungswagen.
Einer der Sanitäter legte einen Zugang in mein Handgelenk – und das schneller, als ich es angesichts des kurvenreichen Fluges für möglich gehalten hätte. Was auch immer er in meine Adern laufen ließ, linderte den Schmerz und vernebelte mir das Hirn. Bevor ich einnickte, fielen mir Thomas’ Worte wieder ein: »Sie ist verzichtbar. Sie wird immer verzichtbar sein.«
Holly würde sich niemals in Sicherheit befinden. Nicht, solange sie mich kannte. Der Schmerz kam zurück, stärker als vorher, aber es war eine andere Art von Schmerz. Die schlimmste Art.
»Du hattest ganz schön Glück. Das ist eine der saubersten Schusswunden, die ich je gesehen habe«, wiederholte der Assistenzarzt, der mich nähte, zum zehnten Mal.
»Ja.«
»Braucht er eine Armschlinge?«, fragte Dad.
»Zumindest ein paar Tage«, sagte der Arzt. »Aber spätestens in einer Stunde sind wir hier fertig.«
»Wie spät ist es?«, wollte ich von Dad wissen.
Wir waren schon die ganze Nacht da. Nur, dass ich unter Narkose stand, und Holly und Adam längst sicher nach Hause gebracht worden waren.
Er schaute auf seine Uhr. »Acht. Ich hab Holly versprochen, dass du sie anrufst, wenn du aufwachst.«
Ich nickte langsam. Sorge und Angst kamen zurück. Ich wartete, bis der Arzt mit dem Nähen fertig war und mir einen Verband angelegt hatte. Dann antwortete ich: »Ich … ich weiß nicht, ob das gut ist.«
Dad stand auf und spähte um den Vorhang herum. Der Arzt schlenderte durch den Flur von uns weg. Dad setzte sich auf das Fußende meines Bettes und fragte leise: »Hat er damit gedroht, ihr etwas anzutun? Thomas, meine ich?«
»Nicht ausdrücklich, aber ich weiß, dass er alles tun wird, um mich zu kriegen.« Ich hatte Dad noch nichts von meiner DNA-Theorie erzählt und hatte auch nicht vor, irgendwem davon zu erzählen. Nicht nur, weil Emily mich darum gebeten hatte. Die CIA würde versuchen, dieses Experiment zu stoppen, aber ich hatte schon so große Opfer gebracht, damit es stattfinden konnte. Ich hatte Thomas fliehen lassen, wahrscheinlich aus lauter falschen Gründen.
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