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Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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gehört.«
    »Aber
glaubst
du mir auch?« Als er nicht sofort antwortete, ließ sie den Ring los und ergriff seine Hand, fasste sie fester, als sie es je aus Gewohnheit oder einer Laune heraus getan hatte. »Beleidige mich nicht«, sagte sie, »indem du mir zu verstehen gibst, dass ich mich danach sehne, einen Mann zu berühren, der eine Schuld an der Ermordung meines Bruders trägt.«
    Sie spürte, wie sich seine Finger bei diesen Worten bewegten, es war eine kaum merkbare Regung. Doch seine Erwiderung war dann so nichtssagend und kühl wie seine Stimme. »Vielleicht siehst du mich ja ganz klar«, sagte er. »Und eingedenk dessen, was du über meine Wirkung gesagt hast, scheint es mir sehr unklug zu sein, mich berühren zu wollen. Ich denke, es ist besser, sich fernzuhalten.«
    »Ja«, sagte sie. »Für die meisten Menschen mag das zutreffen. Aber nicht für mich. Und das weißt du auch, sonst hättest du mich nicht eingeladen, mit dir auf diese Reise zu gehen.«
    Er sah sie lange an, von den Augen zu den Lippen zu den Schultern zu ihren Brüsten. »Ich fange an, es zu bereuen«, sagte er leise.
    Ihre Hand legte sich wie von selbst auf ihren Magen, so groß war der Schmerz, den seine Worte in ihr auslösten. Erst vor einer Viertelstunde hatte sie sich durch ihn so erfüllt gefühlt wie nie zuvor. Doch jetzt fühlte sie sich, als habe er sie zerschmettert. Ausgelaugt.
    Mit einem Seufzen wandte sich Alex ab und griff nach der Flasche mit dem Brandy. »Geh zu Bett, Gwen«, sagte er über die Schulter. »Für heute Nacht hatte ich genug Gesellschaft.«

11
    Alex erwachte nur langsam und mit einigen Schwierigkeiten. Er kämpfte gegen den Sog des Schlafs, der ihn zurückziehen und bei sich behalten wollte. Er öffnete kurz die Augen. Das helle Licht fiel so schwer wie ein Gewicht auf seine Lider, dass er sie sofort wieder schloss. Eine Weile lag er reglos da und lauschte auf seinen Atem, der so rau klang, als habe er soeben wirklich einen Kampf ausgefochten. Sein Verstand wollte ihn an etwas erinnern. Ach ja. In der letzten Nacht hatte er Richards Schwester weitaus mehr Lust gezeigt, als er das Recht gehabt hatte. Irgendwo im Jenseits verfluchte jetzt ein toter Mann seinen Namen.
    Selbst diese wenigen Gedanken zu denken fühlte sich schwierig an.
Die Übungen
, dachte er schläfrig. Er würde sich wacher fühlen, wenn er erst seine Übungen gemacht hatte. Das Brennen in den Muskeln zwang ihn schließlich aufzuwachen. Er könnte seine Schuld Richard gegenüber in Schweiß abzahlen.
    Alex setzte sich langsam auf, und ein Stöhnen kam ihm über die Lippen. Jeder Knochen in seinem Körper tat ihm weh. Einzig sein Kopf schmerzte nicht.
    Er schwang die Beine aus dem Bett – und verharrte. Warum sollte ihm der Kopf wehtun? Dieser Katzenjammer konnte doch nicht die Nachwirkung des Alkohols sein. Er hatte nur ein paar Gläser Cognac getrunken, im Laufe von sieben Stunden.
    Ihm fiel auf, dass noch etwas anders war: Der Zug fuhr nicht mehr.
    Er beugte sich vor und schob die Vorhänge zur Seite. Auf dem Schild über dem Bahnsteig stand nur ein Wort: Nizza.
    Wie ein Stein fiel seine Hand herunter.
    Herrgott. Kein Wunder, dass er sich fühlte, als hätte ihm jemand einen Hammer über den Schädel geschlagen. Er hatte – rasch rechnete er nach – neun Stunden durchgeschlafen.
    Alex starrte noch immer ungläubig auf den Bahnsteig hinaus. Dies
war
doch Nizza, oder? Das Schild konnte keine Täuschung sein?
    Ja. Er erkannte den Bahnhof, die unverwechselbare Überdachung des Bahnsteigs aus Stahl und Glas, die zur Halle hinführte.
    Er setzte sich langsam auf das Fußende des Bettes, während er aus dem Fenster starrte. Auf dem Bahnsteig war eine Handvoll Männer beschäftigt, Gepäck zu transportieren. Eine Frau ging vorbei, ihre Schritte wirkten energisch. Ein Sonnenschirm schwang an dem Band hin und her, das sie um das Handgelenk trug. Der Mann, der ihr folgte, machte einen raschen Schritt zur Seite, um sich vor dem Schirm in Sicherheit zu bringen, und stieß dabei einen Protestlaut aus. Die Frau wandte sich um, ihr Mund formte ein perfektes O.
    Sie blieb stehen. Ebenso der Mann. Er legte die Hände auf sein Herz, und die Frau lachte plötzlich. Er bot ihr seinen Arm an, und sie ergriff ihn. Gemeinsam gingen sie weiter.
    Draußen schien es warm zu sein. Das blaue Seidenkleid der Frau glänzte in der Sonne. Gelbliches Licht prallte auf grün gestrichene Eisenbänke herunter, neben denen üppig karmesinrot blühende Rosenbüsche standen.

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