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Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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ihn an. »Du bist absolut unausstehlich.«
    Er antwortete mit einem Lächeln. Hätte er das Talent gehabt, er hätte sie gezeichnet: ihre Silhouette, die sich vor dem Fenster abhob, umrahmt von den grünen Samtvorhängen.
Wütende junge Miss auf dem entschlossenen Weg in die Unmoral
hätte der offizielle Titel lauten können, und der inoffizielle:
Ein verdammtes Ärgernis, dem ich aus dem Weg hätte gehen können, wäre ich zurück nach Gibraltar gereist
.
    Abgesehen davon, dass der erste Titel fade klang und der zweite … unaufrichtig. Sicherlich hätte er ein Zusammentreffen mit ihr vermeiden können, wäre er nach Südamerika zurückgekehrt. Aber mit welchem Nutzen? Sie war doch amüsant. Und sie bewies überraschenden Mut, ihre kleine Welt auf den Kopf zu stellen und jede Einschränkung über Bord zu werfen, die ihr je auferlegt worden war. Und sie hatte recht: Diese Richard-Sache war ein jämmerlicher Vorwand, sie abzuweisen. Die Maudsleys hatten ihr Bestes für Gwen getan; sie hatten ihr einen Weg aufgezeigt, den zu gehen viele Frauen glücklich gewesen wären. Aber Gwen war nicht damit zufrieden. Die Wünsche der Toten sollten keine Auswirkung auf die Lebenden haben.
    Also ein neuer Titel:
Die unerwartet interessante frühere Debütantin
.
    Es schien, dass auch er kein Talent dafür hatte, passende Titel zu finden. Glücklicherweise würde die Szene aber ein wunderschönes Gemälde abgeben, ganz gleich, wie man es nannte. Das Sonnenlicht, das durch das Fenster hereintanzte, spielte auf ihrem Haar, hob aus dem vorherrschenden Kastanienbraun Strähnen von Gold und Zimt hervor, und dann noch einen weiteren Ton (er würde den Gewinn eines Jahres darauf wetten), der nur echtes Purpur sein konnte. Ihr Haar war wie ein kleines Wunder – ein großer Schatz, der weitaus inspirierender wirkten mochte als die Elgin Marbles oder zerfallende Paläste. Er hatte es gestern Nacht berührt, einfach um des Vergnügens willen, es zu fühlen.
    »Ingwer ist eine sehr unzulängliche Beschreibung für diese Farbe«, sagte er.
    Sie blinzelte. »Wie bitte?«
    »Und beißen kannst du auch recht angenehm. Und du begreifst schnell. Hast du es genossen?«
    Vor Verblüffung teilten sich ihre Lippen. Dieses Rouge vorgestern war des Guten zu viel gewesen; ihr Mund brauchte keine Betonung. Er war das Zweitschönste an ihr, perfekt geschwungen mit vollen Lippen und von einem natürlichen Rosa. Alex genoss es, wenn er sie Radieschen essen sah.
    »Du flirtest mit mir«, sagte sie langsam.
    Er dachte darüber nach. Tat er das? »Ja«, sagte er dann. »Das tue ich.« Die Erkenntnis war seltsam befriedigend. Er flirtete mit Gwen Maudsley, wie er es mit jeder anderen Frau getan hätte, die sein Interesse geweckt hatte – deren Bruder aber nicht sein bester Freund gewesen war und die sich nicht hinter einen Schild aus Heuchelei und albernen Förmlichkeiten von der Welt zurückzog. Er hatte noch nie eine Vorliebe für Mädchenhaftigkeit gehabt.
    Ein seltsamer Ausdruck zog über ihr Gesicht. Er wusste nicht, wie er ihn deuten sollte. Auch das war verblüffend. Noch bis vor Kurzem hatte er Gwen für durchschaubarer als Glas gehalten. »Stört es dich?«, fragte er. Wenn es das tat, dann würden ihre halb ausgegorenen Ambitionen vermutlich zerstört werden müssen.
    Sie verdrehte die Augen. Er hatte sie das noch nie zuvor tun sehen. »Nein, es stört mich nicht«, sagte sie. »Aber du musst dich endlich entscheiden, Alex. Du verhältst dich allmählich wankelmütiger als eine Debütantin.«
    Er fühlte, dass ihm die Kinnlade herunterklappte. Und dann, wie aus dem Nichts, lachte er los. Großer Gott. Sie hatte recht.
    Sie sah ihn aus schmalen Augen an. Er wollte sagen … Hölle, er wusste es nicht, aber etwas in ihrer Miene ließ ihn noch heftiger lachen; vermutlich hatte er sie auf genau diese Weise angesehen, als er ihr am Tag ihrer geplatzten Hochzeit auf der Treppe begegnet war. Dieser Gedanke verstärkte seine Erheiterung noch, und jetzt musste er doch tatsächlich nach Luft schnappen. Dies war natürlich die Folge des Schlafmangels, auch wenn er heute Nacht länger geschlafen hatte als je zuvor in den vergangenen vier Jahren. Somit schied Schlafmangel als Erklärung wohl doch aus. Er kämpfte um Luft und versuchte, sich zu fassen und etwas zu sagen, irgendetwas über das spöttische Lächeln, das um ihren bezaubernden Mund spielte.
    Sie ließ ihm keine Chance. Mit einem verächtlichen Schnauben raffte sie ihre Röcke und rauschte an ihm vorbei.

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