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Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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und eine gerade Nase: Er war geradezu das Sinnbild schroffer Attraktivität, und Mädchen seufzten seinetwegen, allerdings im Geheimen, wenn ihre Mütter es nicht hörten.
    Was sie selbst betraf, so hatte sie immer, wenn auch meist höchst widerstrebend, seine Fähigkeiten bewundert, die nichts mit Äußerlichkeiten zu tun hatten – vor allem seine unerschütterliche Gelassenheit.
    Es war ziemlich nervtötend, jetzt mit der ganzen Macht seiner Selbstbeherrschung konfrontiert zu werden. Aber er hatte ihr diese Frage gestellt; gewiss schuldete er ihr jetzt
irgendeine
Reaktion auf ihre Antwort.
    Als das Schweigen, seine Gleichgültigkeit und sein unfaires Ausnutzen der Dunkelheit noch weiter andauerten, regte sich leichter Zorn in Gwen – gerade stark genug, um sie daran zu erinnern,
was
genau
sie in jenen Wochen nach Richards Tod gedacht hatte. Nach seiner
Ermordung
.
    »Auf der Trauerfeier bist du sehr abweisend gewesen«, sagte sie. So beherrscht. Es hatte sie verunsichert. Verunsichert und auch verärgert. Sie hatte den letzten Menschen verloren, der ihr geblieben war, doch Alex hatte noch so viele Menschen gehabt, die ihn liebten, obwohl er das für selbstverständlich nahm und jedes Zeichen von Fürsorge abwehrte.
    »Ich stand unter Schock.« Seine Stimme klang monoton.
    »Ja.« Das war auch ihre spätere Schlussfolgerung gewesen. Aber zu der Zeit, gefangen in ihrem eigenen Kummer, hatte sie gedacht, dass es vielleicht nicht so sehr Selbstbeherrschung, sondern vielmehr Unmenschlichkeit war, die Alex half – und in diesem Fall täten die Leute besser daran, ihn so zu bewundern, wie sie einen Tiger im Zoo bewunderten: aus der Ferne, ohne Ambitionen.
    Jetzt glaubte sie das nicht mehr. Jetzt sah sie ihn klarer.
    »Ich habe immer gedacht, dass du einen Zauber über die Menschen wirkst – unbeabsichtigt natürlich«, sagte Gwen. »Manchmal denke ich das auch heute noch. Dein Esprit und dein Charme wirken so unbekümmert – fast wie zufällig. Du fühlst dich so behaglich in der Welt, Alex. Und ich denke, weil du alles so leicht aussehen lässt, denken die Menschen, sie können dir nacheifern – können das Leben am Kragen packen, so wie du es tust. Aber es erfordert Fähigkeiten, die Risiken zu umschiffen, die du eingehst. Und mein Bruder hatte dieses Talent nicht. Er hat nicht genug … aufgepasst.« Sie schwieg einen Moment. »Aber ich tue es.«
    Er stieß einen leisen Ton aus, der sich nach Skepsis oder auch Spott anhörte.
    »Ich tue es«, wiederholte sie schärfer. »Ich bin nicht wie mein Bruder. Und ich kannte Richard so gut wie du, vergiss das nicht. Wenn ich sage, du hättest ihn fasziniert, heißt das nicht, dass dir dafür in irgendeiner Weise Schuld zufällt.« Indem sich Richard mit Alex befreundet hatte, hatte er genau das getan, worauf ihre Eltern gehofft hatten. Sie hatten gewollt, dass Richard es lernte, die Welt aus einem besonderen Blickwinkel zu sehen: mit der Arroganz und dem Anspruch und den Erwartungen eines Gentleman der Upper Class. Wie man spielte, wie man trank, wie man sich stilvoll seinen Weg über den Kontinent bahnte – warum sonst hatten ihre Eltern Richard nach Rugby schicken sollen?
    Dass sich Richard allerdings ausgerechnet an den einen Aristokratensohn gehängt hatte, der seine Lektionen unter Missachtung aller Regeln gelernt hatte, das hatten ihre Eltern zutiefst bedauert.
    Gwen räusperte sich. »Richard hat dir viel bedeutet – das habe ich nie bezweifelt. Und er kannte dich sehr viel besser als ich. Sicherlich hat er dich gut genug gekannt, um den Unterschied zwischen Schein und Sein zu erkennen und auch die Beziehung zwischen euch beiden zu begreifen.« Sie schloss die Hand um den Ring. »Er muss gewusst haben, wie du bist. Er spürte gewiss selbst, dass er versucht hat, dir nachzueifern. Und wenn er es nicht wusste … dann war das sein Fehler, nicht deiner.«
    »Vielleicht«, sagte er.
    »Ganz gewiss«, gab sie sofort zurück. »Weil du mir die Frage gestellt hast, wirst du mir auch den Gefallen tun, meine Antwort zu glauben. Als seine Schwester kann ich dir diese Frage richtig beantworten. Und selbst wenn du ihn in diese Spielhölle begleitet hättest, es hätte doch keinen Einfluss auf die Tatsache gehabt, dass irgendein betrunkener Schuft ihm ein Messer in die Brust gerammt hat. Oder?«
    Ihre Stimme war sehr fest geworden. Alex richtete sich auf und tat ihr den Gefallen, ihr zu zeigen, dass er ihr direkt in die Augen sah. »Ja, Gwen«, sagte er. »Ich habe dich

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