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Autoren: Monica Kristensen
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ihrer eigenen Furcht? Der Angst vor Steinschlag von Überhängen, der Geruch von Kohlenstaub, das plötzliche Dröhnen einer Explosion in den dunklen, engen Grubengängen? Über so etwas wurde nur selten außerhalb der Schächte gesprochen. Das, was die Bergleute dachten, behielten sie für sich.
    Aber die Geschichte kursierte, das war nicht zu leugnen. Über die Gasexplosion in Schacht 2, im Januar 1952, bei der sechs Männer umgekommen waren. Sechs Hauer, die an diesem Morgen aufgestanden waren und mit leerem Blick durch das Fenster auf die arktische Landschaft geschaut hatten, sechs Männer, die in Gedanken versunken in dem Transportwagen gesessen hatten, die Helme auf dem Kopf nach hinten geschoben, die übliche Ausrüstung automatisch überprüft und am Gürtel befestigt hatten. Sechs Männer in schmutzigen Overalls, mit Träumen und Gedanken, die sie für sich behielten. Ein paar Stunden später waren sie auf Bahren auf dem Transportwagen aus dem Berg gebracht worden. Verbrannt, zerschmettert und malträtiert, zerschlagen, blutig. Und tot.
    Der Kohlenstaubbrand im Januar 1920 in Schacht 1A. Sechsundzwanzig Mann kamen um, und die Grube wurde geschlossen. Es war frühmorgens im November 1962, als es in Ny-Ǻlesund knallte. Zuerst eine Gasexplosion, dann entzündete sich der Kohlenstaub. Zehn Männer wurden aus dem Schacht Esther herausgebracht, Schacht 4. Und elf Männer blieben zurück in der Dunkelheit. Sie lagen immer noch dort hinter zugemauerten Schachteingängen.
    Es hatte knallharte Konkurrenz zwischen den Kings Bay-Schächten und der Kohleförderung in Longyearbyen geherrscht – es gab nicht genügend Platz für beide Betriebe in dem politischen Ränkespiel auf dem Festland. Trotzdem führte die Bevölkerung von Longyearbyen mit den Überwinterern in Ny-Ǻlesund einen verbissenen Kampf um das Recht, dort bleiben zu dürfen, wo sie sich ein Zuhause geschaffen hatten. Mit ihrem Mut. Ihrer Standhaftigkeit. Doch alles war vergebens. Das Unglück in Kings Bay im Jahr 1962 ließ den Leuten auf dem Festland keine Ruhe, es führte zu einem Schuldgefühl, das nicht verschwand. Im Jahr darauf wurden die Gruben in Ny-Ǻlesund dann geschlossen.
    Später wurde die Sicherheit in den Schächten in Longyearbyen verbessert. Es gab keine großen Explosionen mehr. Die Ausrüstung wurde sicherer, die Routinen gründlicher. Aber der Beruf eines Bergmannes ist nie ganz sicher. Dazu ist der Berg viel zu unberechenbar. Leute starben weiterhin in der Finsternis in den niedrigen Stollen. Und die Angst hing über den Häusern in dem kleinen Polarort und warf ihre Schatten auf das tägliche Leben der Menschen dort.
    Der Steiger fuhr Steinar ins Krankenhaus und brachte ihn in den ersten Stock zur Anmeldung, ließ ihn dort dann aber allein zurück. Er ging offensichtlich nicht davon aus, dass Steinar ernsthaft verletzt war. Er murmelte etwas vom Büro und versprach zurückzukommen, sobald die ärztliche Untersuchung beendet war. Nach einer kurzen ersten Untersuchung, die in einem prüfenden Blick von Schwester Berit in der Rezeption bestand, durfte der neue Ingenieur im Wartezimmer auf einem abgenutzten Sofa Platz nehmen und warten.
    Es saßen noch zwei andere im Zimmer. Beides Frauen, keine mehr wirklich jung. Sie sahen Steinar von der Seite an, unterhielten sich aber leise weiter miteinander. Steinar interessierte das nicht. Er saß da und starrte in die Luft, bis Schwester Berit in der Tür erschien und ihm zunickte. Die Frauen folgten ihm mit ihren Blicken, bis er durch die Tür war.
    Der Arzt sprach freundlich mit ihm, während er sich die Wunden anschaute. »Steinar Olsen. Sie sind gerade erst angekommen, nicht wahr? Letzte Woche erst, hat mir Steiger Lund gesagt. Und Sie haben Ihre Familie mitgebracht? Ja, so soll es sein. Longyearbyen wird ja immer normaler, fast wie jede andere größere Stadt auf dem Festland. Und in der Finnmark gibt es Orte, die ein raueres Klima haben als wir hier. Wie gefällt es denn Ihrer Frau hier?«
    »Gut.«
    »Schön! Jetzt geht es ja auch auf hellere Zeiten zu. Das ist eine gute Zeit, um herzukommen. Ruhig und friedlich. Die Touristen kommen mitten im dunklen Winter noch nicht. Aber zum Frühling hin, das werden Sie sehen. Dann wimmelt es in der ganzen Stadt von ihnen. Das ist vielleicht nervig. Immer die gleichen Fragen, wie wir hier oben leben, wo sie Eisbären sehen können, wo sie einen Schneescooter mieten können. Und wo es zum Alkoholladen geht. Ich selbst bin letztes Jahr im Frühling

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