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Süden und das Geheimnis der Königin

Süden und das Geheimnis der Königin

Titel: Süden und das Geheimnis der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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hinauf. Ich sagte: »Die Frau steht in einer Verbindung zu Herrn Grosso, wir wissen noch nicht, in welcher. Er ist eine neue Spur.«
    »Wie heißt die Frau?«
    »Soraya Roos.«
    Nach einigen Schritten sagte Frau Buchner: »Kenn ich nicht.«
    »Sind Sie sicher?«, sagte Freya.
    »Ja.«
    Die Sonne durchbrach die Wolken und ich spürte die Wärme im Nacken.
    »Franz Grosso«, sagte ich.
    »Haben Sie mit ihm in der Humboldtstraße gesprochen?«
    »Ich glaub nicht, dass er mich erkannt hat. Er war sturzbetrunken. Wie die anderen Männer, die da rumstanden.« Ich wusste, welchen Supermarkt sie meinte. In der Nähe befand sich eine Unterkunft für Obdachlose und sonstige Sandler.
    »Was haben Sie dort gemacht?«, fragte ich.
    »Geht Sie das was an, Herr Süden?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Warum?«
    »Dies ist eine polizeiliche Ermittlung…«
    »Ach.«
    »… und es ist unsere Pflicht und unser Recht Sie zu befragen, das wissen Sie doch.«
    »Und wo steht das geschrieben?«, sagte sie abfällig.
    »Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Artikel dreißig folgende.«
    »Sehr gut. Mein Mann hat genauso geredet wie Sie«, sagte sie.
    »Paragraf soundso, Artikel soundso, P-A-G, P-0-G, F-V- 0, D-F-B…«
    »Was hat der Deutsche Fußballbund mit uns zu tun?«, fragte Freya.
    »Deutsches Fahndungsbuch«, sagte ich.
    »Ojeoje«, sagte Freya.
    »… A-D-0, Z-P-0… Diese Abkürzungen hab ich immer noch im Ohr. Und mein Mann ist seit achtzehn Jahren tot. Er hat gern mit Abkürzungen angegeben. Hat mir nicht imponiert.«
    »In welcher Abteilung hat er gearbeitet?«, fragte ich.
    »Er war Zielfahnder. Und seine Ziele lagen immer weit weg von zu Hause, sehr weit weg. Jedenfalls hab ich das jahrelang geglaubt. Wahrscheinlich ist es so, dass Polizisten das perfekte Lügen bei den Verbrechern lernen, mit denen sie es andauernd zu tun haben.« Ich schwieg. Ich dachte: Niemand lügt perfekt. Dann dachte ich: Wozu auch, wir sind keine perfekten Lügendetektoren.
    »Haben Sie denn mit Herrn Grosso gesprochen?«, fragte Freya und klopfte mit dem Stift auf ihren Block. Wir kamen an einem kleinen Brunnen vorüber, der jetzt, Anfang Mai, noch ohne Wasser war.
    »Hören Sie nicht zu?«, sagte Frau Buchner.
    »Er war sturzbetrunken. Ich hab ihn gesehen, das hat mir gereicht.«
    »Vor zehn Jahren war das.«
    »Ungefähr.«
    »War er Italiener?«, fragte ich ein drittes Mal.
    »Möglich«, erwiderte sie ein drittes Mal. Hatte sie also endlich ein Ziel für die Rache an ihrem Zielfahnder gefunden. Ich wandte mich ihr zu und blieb stehen.
    »War er Italiener, Frau Buchner?«
    »Er hat gut deutsch gesprochen, er hatte einen Akzent, ich weiß nicht mehr. Wir hatten eine Affäre, ein, zwei Monate, mein Mann fahndete mal wieder nach dem Heiligen Geist, ich traf Franz in einem Lokal…«
    »In welchem?«, fragte Freya, das Gesicht nah am Block, auf das Schreiben konzentriert.
    »Kann ich nicht mehr sagen, in der Innenstadt…«
    »Am Sendlinger Tor?«, sagte ich.
    »Möglich«, sagte sie.
    »Damals arbeitete er bei einer Spedition als Fahrer«, sagte ich.
    »Ja«, sagte sie.
    »Bei welcher?«
    »Ich bitte Sie!«
    »Haben Sie es sich vielleicht aufgeschrieben, in einem Tagebuch, in einem Brief?«
    »Bitte?« Wieder sah sie mich an, als wäre ich Ekel erregend.
    »Franz Grosso«, sagte ich.
    »Danke, dass Sie uns den Namen sagen konnten. Sie haben uns sehr geholfen.«
    »Ja, danke«, sagte Freya.
    »Woran ist er gestorben?«, fragte Frau Buchner.
    »In der Zeitung stand nichts Genaues, ein Verbrechen war es nicht, oder?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Er ist also nicht ermordet worden?«
    »Nein.«
    »Gott sei Dank!« Ich sagte: »Er ist verhungert.«
    »Sie lügen!«, sagte sie und sie meinte es todernst.
    »Nein«, sagte ich und ging weiter.
    »Bleiben Sie stehen!«
    Ich blieb nicht stehen. Was sollte ich ihr sagen? Dass es Menschen gab, die kein Glück hatten? Das wusste sie doch, spätestens seit den Erfahrungen mit ihrem Zielfahnder. Und dabei hatte sie offensichtlich gut vorgesorgt. In diesem Heim im idyllischen Wurmtal zu sterben machte gewiss mehr Freude als in einer Bruchbude in der Hinterbärenbadstraße in Sendling. Ich wartete am Auto auf Freya. Während der Fahrt hüllte ich mich in ein sozialkritisches Schweigen.
    Nicht weit von dem Supermarkt entfernt, vor dem Clara Buchner ihren Exgeliebten gesehen hatte, gab es am Hochufer der Isar einen Kiosk. Dort verkehrten überwiegend Leute, die zu den Millionen im Land zählten, denen es egal war, unter welcher

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