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Süden und das Geheimnis der Königin

Süden und das Geheimnis der Königin

Titel: Süden und das Geheimnis der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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vollkommen rätselhaft.
    »Fürchten Sie, dass ihr etwas zugestoßen ist?«, hatte Martin Heuer gefragt.
    »Natürlich«, sagte Maria Roos schnell. Ihr Mann antwortete nicht auf die Frage.
    »Deswegen sind wir hier«, ergänzte sie.
    Doch sie hatten kein einziges Indiz, es war nichts als eine Vermutung.
    Und als sie sich verabschiedeten, sagte Emanuel Roos einen Satz, den ich noch nie von jemandem gehört hatte, der gerade sein Kind, auch wenn es erwachsen war, als vermisst gemeldet hatte. Er sagte: »Dann werden wir jetzt mal warten.«
    Ein Jahr später war Maria Roos tot und ihre Tochter noch immer verschwunden.

6
    D ie ersten Anrufer, die sich auf das Foto in den Zeitungen meldeten, verwechselten, wie sich bald herausstellte, den toten Franz mit jemand anderem. Dann rief eine Frau an, die erklärte, sie habe möglicherweise einmal ein Verhältnis mit dem Mann gehabt, sei sich aber nicht sicher.
    »Wir kommen zu Ihnen«, sagte Freya Epp am Telefon, »und Sie sehen sich das Foto genau an.« Sie saß mir am Schreibtisch gegenüber, auf Sonjas Platz, die wegen einer Vermissung im Umland zur Zeit jeden Tag außer Haus verbrachte. Derweil benutzte ein junger Mann, der während seiner Ausbildung eine Art Schnupperkurs in mehreren Dezernaten absolvierte, Freyas Schreibtisch. Bei uns war er der einzige Beamte, der eine Uniform trug.
    »Keine Sorge, Frau Buchner«, sagte Freya Epp.
    »Wir tragen keine Uniform, wir sehen ganz normal aus… Ja, das machen wir, wenn Sie mir die Nummer geben…« Bevor ich noch einmal Ewald Sturm und den alten Roos besuchte, hoffte ich auf weitere Details, mit denen ich die beiden Männer aus der Reserve locken konnte. Nach der gestrigen Besprechung war mir klar geworden, dass unsere Vermutungen, was das Verschwinden von Soraya Roos anging, vielleicht zutrafen, wir die Hintergründe jedoch bei weitem nicht durchschaut hatten. Und vielleicht liefen unsere Vermutungen auch vollkommen in die Irre. Plötzlich begann ich an jeder Notiz in den Akten zu zweifeln, an jeder Aussage, jeder Schlussfolgerung, an der aus unserer Sicht logischen Interpretation der Fakten, und an den Fakten selbst. Es war, als habe uns der erbärmliche Tod des Mannes in der Bruchbude die Tür zu einer Vergangenheit geöffnet, aus der, wie schwarze Lava, Finsternis strömte, die uns unter sich begraben und zum Verstummen bringen sollte.
    »Wer ist die Frau?«, fragte ich.
    »Clara Buchner heißt sie«, sagte meine Kollegin mit den dicken Brillengläsern.
    »Besser, wir fahren gleich los, bevor sie es sich anders überlegt.«
    Unterwegs erzählte sie mir von der Beziehung der einundsiebzigjährigen Frau mit dem toten Franz und davon, dass sie ihn angeblich vor zehn Jahren zum letzten Mal gesehen habe, zufällig vor einem Supermarkt.
    »Er habe heruntergekommen und dreckig ausgesehen«, sagte Freya, wegen der ich gezwungen war, selbst zu fahren, was ich ungern tat, wenn ich im Dienst war, da ich dann nicht nachdenken oder nichts denken konnte. Meine Kollegin hatte keinen Führerschein, im Moment.
    »Bin erwischt worden«, hatte sie gesagt, als ich vom Schreibtisch aufstand.
    »Die haben mich dran gekriegt, das war Pech.«
    »Konnten Sie nicht verhandeln?«
    »Wollt ich nicht«, hatte sie gesagt.
    »Ich hätt ihnen auch nicht gesagt, wo ich arbeite, wenn sie mich nicht gefragt hätten. Und dann haben sie sich entschuldigt, ich glaub, einer der Kollegen hätt mich weiterfahren lassen, aber die anderen nicht. Selber schuld. Fünf Bier sind zuviel. Und zwei Prosecco. Aber die hab ich beim Tanzen gleich wieder rausgeschwitzt.«
    »Wie lang dürfen Sie jetzt nicht fahren?«
    »Einen Monat. Und vierhundert Euro Strafe. Ist schon blöd.«
    »Dann nehmen wir unseren Opel«, hatte ich gesagt.
    »Tut mir Leid«, hatte Freya beim Losfahren gesagt.
    »Sie müssen mir sagen, wo wir hin müssen.« Das Heim, in dem Clara Buchner lebte, lag in der Nähe des Münchner Vororts Gauting, einer Gegend für Besserverdienende oder Angehörige von Besserverdienenden. Einen Kilometer vor dem Ziel holte Freya ihr Handy aus der Tasche.
    »Frau Buchner? Wir kommen jetzt. Wir treffen uns dann wie besprochen im Park.«
    Natürlich hatte das Heim einen Park, eine richtige Parkanlage mit Pavillon, Tümpeln, Bänken, Tannen und Laubbäumen, geteerten und gekiesten Wegen, Laternen, Rosensträuchern und Rabatten voller bunter Blumen. Hoffentlich hatten die alten Leute einen guten Orientierungssinn. Aber vielleicht standen efeuumrankt irgendwo Telefonzellen für

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