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Süden und das grüne Haar des Todes

Süden und das grüne Haar des Todes

Titel: Süden und das grüne Haar des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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schwieg.
    »Sie bringen mich ganz draus«, sagte sie. Dann rieb sie die Knie aneinander und biss sich auf die Unterlippe. »Ich hab halt gesehen, wie sie einen Stapel Blätter in einer Mappe versteckt hat, als ich grade reinkam.«
    »Du hast einen Schlüssel zu ihrer Wohnung.«
    »Sie gibt ihn mir mit, wenn ich einkaufen geh, hinterher kriegt sie ihn wieder.«
    »Wieso kaufst du eigentlich für sie ein?«, sagte ich .
    »Wieso?«, sagte sie.
    »Wieso?«, sagte ich .
    »Sie stellen Fragen!«
    »Eigentlich frage ich gar nicht gern.«
    »Das merk ich!« Sie gönnte sich oder mir ein kurzes Lächeln. »Wir haben mal in der Schule einen Aufsatz schreiben müssen in Geschichte, über den Krieg und die Nachkriegszeit und wie wir uns das so vorstellen, und da sollten wir alte Leute dazu befragen. Ich hab halt Frau Halmar befragt, weil meine Mum sie von früher kennt.«
    Ich schwieg.
    Verona kratzte sich wie verlegen an der Hand. »Hab schon kapiert, Sie fragen nicht gern. Frau Halmar hat früher im Haushalt meiner Großeltern gearbeitet, die waren sehr krank, und Frau Halmar hat immer bei Leuten gearbeitet, als Hauswirtschafterin. Ich kenn sie, seit ich ein Kind war. Aber später hab ich sie nicht oft gesehen .
    Sie lebt sehr zurückgezogen. Und als ich bei ihr war wegen der Schule, hat sie mich gefragt, ob ich mir ein paar Euros verdienen will, und so geh ich seit einem Jahr einmal die Woche für sie zum Einkaufen. Sie braucht ja nicht viel. Sie könnt auch selber gehen.«
    »Du gehst gern für sie einkaufen.«
    »Klar.«
    »Aber seit drei Wochen nicht mehr«, sagte ich .
    »Nein.«
    Auf der Couch gab das Handy einen melodischen Ton von sich. Verona machte einen Schritt vom Tisch weg und hielt abrupt inne .
    »Geh hin«, sagte ich.
    »Eilt nicht«, sagte sie.
    »Ihr habt keinen festen Tag vereinbart, Frau Halmar und du«, sagte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. Das Handtuch löste sich, und sie nahm es ab. Sie hatte maisgelb gefärbte Haare .
    »Sie ruft immer an«, sagte Verona. »Es ist schon vorgekommen, dass ich nur einmal im Monat einkaufen muss.«
    »Du hast dich nicht bei ihr gemeldet.«
    »Sie hat kein Telefon, ist Ihnen das nicht aufgefallen, als Sie bei ihr in der Wohnung waren?«
    »Nein«, sagte ich. Mehr und mehr hatte ich den Verdacht, mir würde einiges im Zusammenhang mit der verschwundenen alten Frau nicht auffallen .
    »Was, glaubst du, hat Frau Halmar geschrieben? Und warum hat sie es vor dir versteckt?«
    »Sie können ja danach suchen«, sagte Verona .
    Auf der Kellertreppe waren Schritte zu hören, dann tauchte Martin Heuer im Flur auf, mit schlurfendem Gang und vor Erschöpfung flatternden Lidern .
    »Können wir los?«, sagte er.
    »Hat meine Mum Sie also tatsächlich empfangen!« Verona griff nach der Plastikflasche mit Mineralwasser .
    »Hat sie nicht«, sagte Martin. »Ich musste sie durch die geschlossene Tür befragen. Ist deine Mutter noch ganz dicht?«
    Erstaunt über diese heftige Bemerkung stellte Verona die Flasche wieder hin. Und ich gaffte die Stelle an, an der Martin gerade noch gestanden hatte. Durch die offene Haustür drang laut das Prasseln des Regens herein.

3
    D ie Dinge entwickelten sich außerhalb unseres Einflusses, vielleicht außerhalb unserer geschulten Wahrnehmung. Obwohl ich vom heutigen Standpunkt aus bekenne, dass ich in jenen Wochen und Monaten, in denen wir – Martin Heuer und ich und in gewisser Weise auch Sonja Feyerabend – uns auf die schlimmstmögliche Wendung unseres Lebens zubewegten, das Geschehen in meiner unmittelbaren Nähe für ebenso selbstverständlich wie veränderbar hielt.
    Ich glaubte tatsächlich, worauf es ankäme, wäre ein wenig freie Zeit, ausschlafen, Spaziergänge im Englischen Garten oder an den idyllischen Osterseen südlich von München, Gelassenheit und Vertrauen in den Übermut des Frühlings. Unbewusst bastelte ich in meiner Vorstellung an einer heilenden Sonne, deren Kraft bis in das letzte Nachtloch reichte, in dem Martin unermüdlich nach Elektrizität für sein rostendes Herz suchte, allein, in der Obhut seines Schattens, oder an der Seite von Lilo oder einer anderen Priesterin der flüchtigen Erlösung .
    So viele Jahre hatten wir schon überstanden, dieseits und jenseits der Leere, die uns gelegentlich überfiel, wenn wir im Dezernat wieder einmal nur unser Scheitern katalogisierten und einen Fall zu den Akten legten, bei dem wir ausgehöhlte Menschen in leeren Zimmern zurücklassen mussten, oder wenn wir an Hannis Tresen oder am

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