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Süden und das Lächeln des Windes

Süden und das Lächeln des Windes

Titel: Süden und das Lächeln des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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von der Toilette zurückkam. Nebenan telefonierte Berghoff mit der Frau in Wolfsburg, die wie er an den Prüfungen teilnahm. »Das ist schon irr, was eine Nacht mit Sonja Feyerabend mit dir anstellt!«
    Ich schwieg ihn nachhaltig an.
    Als Susanne ins Zimmer trat, mit neuem Lippenstift, Rouge und Lidschatten, ging Martin in den Flur.
    »Mir wärs lieber, Sie bleiben da«, sagte sie zu ihm.
    »Mir nicht«, sagte ich.
    Martin ging ins Wohnzimmer zu Berghoff, und ich schloss die Tür.
    »Bitte setzen Sie sich«, sagte ich.
    Susanne zögerte, betrachtete das ordentlich zugedeckte Bett und setzte sich an den Tisch aus weiß lackiertem Holz, der von Comicheften und Plastikfiguren aus Fantasygeschichten übersät war. Ansonsten sah das Zimmer absolut aufgeräumt aus.
    »Wissen Sie, wo sich Ihr Sohn aufhält, Frau Berghoff?«, sagte ich.
    »Nein.«
    Ich lehnte mich gegen die Tür, an der ein Filmplakat von »Herr der Ringe« hing, und verschränkte die Arme.
    »Ihr Sohn übernachtet öfter bei Ihrer Schwester, als Sie uns gesagt haben.«
    Sie saß auf dem niedrigen Stuhl, gebeugt, die Hände in die Oberschenkel gekrallt. Mir kam es vor, als altere diese Frau jede Stunde stärker, in der Timo verschwunden blieb, und dieser Prozess saugte alle Zuversicht aus ihr und erfüllte sie stattdessen mit dumpfer Schwermut und einer Müdigkeit, die ihren dünnen Körper innerlich zusammenschnürte.
    »Sie haben mich ganz schön angelogen«, sagte ich.
    »Ja«, sagte sie leise.
    »Und Ihre Schwester hat uns auch angelogen«, sagte ich.
    »Sie haben uns beide etwas vorgespielt. Das ist jetzt vorbei, jetzt spielen Sie nicht mehr. Ich bin es gewöhnt angelogen zu werden, das ist mein Alltag. Außerdem habe ich Ihnen von Anfang an nicht getraut, auch Ihrer Schwester nicht.«
    Sie sah mich an, als hätte ich etwas Ungesetzliches gesagt.
    »Frau Berghoff.«
    Zum wiederholten Mal hatte ich den Eindruck, sie halte die Luft an.
    »Haben Sie Ihrem Timo etwas angetan? Ist Timo etwas zugestoßen? Haben Sie ihn schwerer verletzt, als Sie zugegeben haben?«
    Nach etwa zwei Minuten erfasste scheinbar von den Füßen aus ein Zittern ihren Körper, zuerst wippte sie mit dem Bein, das sie über das andere geschlagen hatte, dann bewegte sich ihr Bauch, als atme sie tief ein und aus, und schließlich richtete sie sich auf, ruckte mit den Schultern und schüttelte heftig den Kopf. Es sah aus, als habe sie einen Anfall oder als ekele sie sich vor etwas.
    »Er ist nicht tot«, sagte sie und sah mich mit festem Blick an. »Ich hab Timo nichts getan, ich weiß, was Sie meinen, ich weiß schon, ich hab ihn geschlagen, ja, ich hab ihn schlimm verdroschen, aber er lebt, ich weiß genau, dass er lebt. Und meine Schwester weiß auch genau, dass er lebt. Er hat sich versteckt, die Sara hat ihn gezwungen, sich mit ihr zu verstecken. Er ist nicht tot, glauben Sie etwa, ich hab ihn umgebracht, glauben Sie so was? Ich hab ihn doch nicht umgebracht, ich bring doch meinen Sohn nicht um! Was haben Sie denn für eine Phantasie? Sie denken immer gleich das Allerschlimmste. Für Sie ist ein Kind wie das andere, und die, die tot sind, sind für Sie genauso Fälle wie die, die nicht tot sind, sondern sich irgendwo versteckt haben…«
    Ich hatte bereits zweimal Nein gesagt, aber sie hörte nicht zu.
    »… und ich find es gemein, dass Sie so was von mir denken, ich hab ein Geschäft, ich hab ein Hotel…«
    Ich ging zu ihr, kniete mich vor sie hin, nahm ihre Hände und schaute ihr ins Gesicht. Schlagartig verstummte sie.
    »Ich glaube nicht, dass Timo tot ist«, sagte ich. »Ich glaube auch, dass er sich irgendwo versteckt hat.«
    Ich schwieg. Aus rot unterlaufenen Augen erwiderte sie meinen Blick, ihr Körper kam langsam zur Ruhe.
    »Und jetzt«, sagte ich, »verraten Sie mir, warum Sie ihn als vermisst gemeldet haben! Sie wollten mit der Polizei doch gar nichts zu tun haben.«
    »Ja«, sagte sie. Dann zog sie die Stirn in Falten, sah auf unsere Hände, und ich vermutete, sie wollte etwas sagen, traute sich aber nicht. Ich ließ sie los und erhob mich und ging zurück zur Tür. Seit wir in diesem Zimmer waren, hatte ich draußen das Telefon dreimal klingeln gehört, jetzt klingelte es zum vierten Mal.
    Susanne stützte sich auf die Stuhllehnen. »Ich habs wegen Hajo gemacht, ich wollt, dass er kommt, dass er auch mal was tut, dass er sich kümmert, ich wollt mich nicht allein fürchten. Er ist doch Timos Vater, für Timo ist er der Vater, das stimmt doch!«
    »Ja«, sagte

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