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Süden und das Lächeln des Windes

Süden und das Lächeln des Windes

Titel: Süden und das Lächeln des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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und umgekehrt.
    Weswegen ich die beiden gegen ihren Willen und gegen seine ursprüngliche Absicht gezwungen hatte sich nebeneinander auf die Couch zu setzen, war die Hoffnung, ich könnte auf diese Weise Aufschlüsse über das dritte Zimmer erhalten, das des kleinen Timo, dessen Abwesenheit seine Eltern offenbar nicht bedrückte. Ich wollte, dass sie ihrer Nähe nicht entkamen und der leeren Stelle darin.
    Martin hatte einen Recorder auf den Couchtisch gestellt und sich an den Esstisch gesetzt, wo er sich Notizen machte. Ich stand mitten im Raum, ging gelegentlich auf und ab, ohne das Ehepaar aus den Augen zu lassen. Auf Druck unserer Kollegen in Wolfsburg hatte Hajo Berghoff sich bereit erklärt, ein Flugzeug nach München zu nehmen, vorausgesetzt, er könne abends wieder zurückfliegen. Auf dem Franz-Josef-Strauß-Flughafen wurde er von hiesigen Polizisten erwartet und mit Blaulicht nach Unterhaching gebracht.
    Berghoff war neun Jahre älter als seine Frau, wirkte jedoch im Gegensatz zu ihr agil und durchtrainiert, ein Mann, der regelmäßig ins Solarium ging und die Ausstrahlung jener Verkäufer besaß, die fähig waren, eine Mücke von einem Elefanten als Haustier zu überzeugen.
    »Können Sie uns noch einmal erklären, warum Sie Ihren Sohn als vermisst gemeldet haben«, sagte ich. Susanne starrte vor sich hin wie jemand, der nicht gemeint war. Berghoff zog die Stirn hoch und fixierte den Fernseher.
    Eine halbe Minute verging in Wortlosigkeit.
    »Timo ist seit Montagnachmittag verschwunden, er ist…«
    »Ist er nicht!«, sagte Susanne und quetschte den Daumen unter die Finger. »Ist er nicht, er war bei meiner Schwester, das ist doch bewiesen! Er war bei ihr, und sie hat ihn weggeschickt, und jetzt und jetzt…«
    »Wir lassen Ihren Sohn suchen, Herr Berghoff«, sagte ich. »Wir sind in großer Sorge um ihn, ich würde gern wissen, wieso Sie sich keine Sorgen machen.«
    Das Telefon klingelte kaum hörbar. Susanne hatte den Ton leise gestellt, da ständig Reporter und Bekannte der Familie anriefen. Vorsorglich hatte Martin aus dem Dezernat ein Diensthandy mitgebracht, damit wir erreichbar waren, falls es Neuigkeiten gab.
    »Ich mach mir Sorgen«, sagte Berghoff. Er schürzte die Lippen, schloss halb die Augen. »Ich bin hier, oder? Aber: Was soll dem Jungen schon passieren? Er treibt sich rum. Was ist mit dem Mädchen? Wer ist das? Kenn ich die?«
    Fast sah es so aus, als wende er seiner Frau den Kopf zu , aber sein Blick hing weiter an dem flachen Bildschirm des Fernsehers.
    »Wir haben einen Zeugen«, sagte ich. »Er hat Timo und Sara zusammen gesehen, am Ostbahnhof.«
    »Sara«, sagte Berghoff.
    »Am Ostbahnhof?«, sagte Susanne.
    »Kennen Sie jemanden, der am Haidenauplatz wohnt?«
    »Wo?«, fragte Berghoff.
    »Nein«, sagte Susanne.
    »Am Haidenauplatz in der Nähe des Ostbahnhofs«, sagte ich.
    Keiner der beiden reagierte.
    »Wann haben Sie Ihren Sohn zum letzten Mal gesehen, Herr Berghoff?«, fragte ich und beobachtete seine Frau, die sich krümmte wie unter Schmerzen.
    »Vor vier Wochen«, sagte Berghoff.
    »Ist doch gelogen«, sagte Susanne. »Gesehen! War doch nicht gesehen! Timo hat schon geschlafen, und am nächsten Morgen warst du weg.« Sie sah mich an. Dann glitt ihr Blick weiter zu Martin.
    »Leben Sie getrennt?«, fragte Martin. Er erhielt keine Antwort.
    »Leben Sie getrennt?«, wiederholte ich.
    Spätestens in diesem Moment wäre der Eisbär tot gewesen.
    Berghoff streckte sein Bein, massierte das Knie, gab einen kehligen Laut von sich und lehnte sich zurück.
    »Wir sehen uns nicht oft«, sagte Susanne, beide Daumen zwischen die Finger geklemmt. »Ich hab Ihnen doch gesagt, was ist. Mein Mann macht diese Prüfungen, die sind wichtig für ihn, er macht die Prüfungen, und ich hab das Hotel, anders gehts nicht.«
    Ich sagte: »Was passiert, wenn Sie die Prüfungen schaffen? Ziehen Sie dann nach Wolfsburg?«
    »Das ist klar«, sagte Berghoff.
    Wieder klingelte leise das Telefon, ungefähr fünfzehnmal. Den Anrufbeantworter hatte Susanne ausgeschaltet.
    »Und Sie?«, fragte ich sie.
    »Ich nicht«, sagte sie.
    »Sie müssen Ihr Hotel weiterführen«, sagte ich.
    »Genau, das ist mein Hotel, ich leite es, ich bin die Chefin, ich kann doch nicht wegziehen! Und Timo muss in die Schule hier, er hat hier seine Freunde, der will doch seine Freunde nicht aufgeben.«
    »Und seine Freundin«, sagte ich.
    »Das ist doch Unsinn, was Sie sagen!«, stieß Susanne hervor. Doch sofort hatte sie sich wieder

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