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Süden und das Lächeln des Windes

Süden und das Lächeln des Windes

Titel: Süden und das Lächeln des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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gespielt, oftmals sogar die entscheidende Wendung herbeigeführt hatte. Bis heute bin ich überzeugt, dass die meisten ungeklärten Fälle in den Bereichen Mord, Vermissungen und Raub durch das Fehlen eines Zufalls zu erklären waren oder wegen der Unfähigkeit der Sachbearbeiter, den Zufall zu erkennen.
    »Die Besprechung der Soko beginnt in einer halben Stunde«, sagte Sonja.
    »Ohne Martin und mich«, sagte ich. »Wir sind auf dem Weg zum Ostbahnhof, um die Aussage des Sandlers auf Band aufzunehmen, der die Kinder gesehen hat, und danach müssen wir ins Präsidium, um Saras Vater zu vernehmen.«
    »Was macht der im Präsidium?«
    »Er ist verhaftet worden«, sagte ich. »Verdacht auf umfangreiche Unterschlagungen, die Kollegen sind seit Monaten hinter ihm her.«
    »Warum informieren die uns nicht?«
    »Sie haben mich übers Handy angerufen. Hast du Zeit, gemeinsam mit Freya noch mal Carola Schild zu befragen? Im Dezernat. Befragt sie so lange, bis ihr euch sicher seid, sie hat keine Ahnung, wo die Kinder stecken.«
    »Wenn du meinst.«
    »Ja«, sagte ich.
    Dann schwiegen wir wie auf ein Zeichen.
    »Bis später«, sagte ihre Stimme dann.
    Bogdan war verschwunden. Der Kellner sagte, der Sandler habe bezahlt, kurz nachdem ich gegangen sei, und seitdem sei er nicht wieder aufgetaucht. Ich suchte das gesamte Untergeschoss ab, die Bahnsteige der Fernzüge und der S- Bahnen, ging hinunter zum U-Bahnsteig, warf einen Blick in die Läden und befragte Passanten, Geschäftsleute und Angestellte des Wachdienstes. Niemand hatte den bulligen Mann mit dem Lederhut gesehen, immerhin kannten ihn die meisten vom Sehen.
    Auf einem der Metallsitze bei den Bushaltestellen hockte eine ältere Frau in zerschlissener Kleidung, drei vollgepackte Plastiktüten neben sich auf dem nassen Boden.
    »Der Bogdan spinnt«, sagte sie auf meine Frage, ob sie ihn heute gesehen habe.
    »Haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Der spinnt.«
    »Hat er gesagt, ob er heute noch mal wiederkommt?«
    Sie kaute auf etwas herum und hielt mir die flache Hand hin. »Ich hab Hunger, werter Herr.«
    Ich gab ihr fünf Euro.
    »Dankschön«, sagte sie, knüllte den Schein zusammen und steckte ihn in die Manteltasche. »Heut Nacht ist er wieder da.«
    »Wann?«
    Sie kaute intensiv, schmatzte dabei und rieb sich mit der Faust über den Mund. Ihre Hände waren blaurot verfärbt.
    »Wenns dunkel ist, ist Nacht.«
    »Dann komme ich wieder«, sagte ich.
    »Breisacher Straß«, sagte die Frau. »Da hat er einen Schuppen im Hinterhof.«
    »Welche Nummer in der Breisacher Straße?«
    »Da müssens ihn selber fragen.« Sie hielt mir wieder die Hand hin. »Ich hab Hunger, werter Herr.«
    Ich war mir sicher, sie hatte vergessen, dass sie mich vor zwei Minuten schon einmal angebettelt hatte. Vielleicht hatte sie es auch nicht vergessen. Ich gab ihr einen Zehn-Euro-Schein, den sie wie den anderen einsteckte, ohne einen Blick darauf zu werfen.
    Eine halbe Stunde später stiegen wir im Hof des Polizeipräsidiums aus dem Auto. Während der Fahrt hatte Martin kein Wort gesprochen.
    »Ihr könnt mit ihm reden«, sagte Oskar Inzinger, der ein Sakko trug, das ziemlich seltsam aussah. Der Hauptkommissar war klein und gedrungen und blond und das krachige Blau seiner Jacke bildete einen krassen Gegensatz zu seiner gelbbraunen Hose. Vielleicht hatte er früher als Streifenpolizist gearbeitet und einen Uniformschock davongetragen.
    In einem Raum, der mindestens dreimal so groß war wie das provisorische Vernehmungszimmer in unserem Dezernat und dreimal so hell, saß Frank Tiller an einem rechteckigen weißen Tisch, auf dem zwei Plastikflaschen mit Mineralwasser und Plastikbecher standen.
    In seinem grauen gewöhnlichen Anzug wirkte Tiller schon jetzt wie ein Häftling. Seine Haare waren zerwühlt, was, wie wir bald feststellten, daher rührte, dass er sich ständig abwechselnd erst mit der einen, dann mit der anderen Hand am Kopf kratzte. Er wirkte erschöpft, beobachtete uns aber mit wachen Augen, die jeder unserer Bewegungen zu folgen schienen.
    Nachdem ich uns vorgestellt hatte, setzte sich Martin ihm gegenüber und packte sein Arbeitszeug aus. Ich stellte mich an die Wand schräg hinter Martin, sodass ich Tiller ins Gesicht sehen konnte.
    Niemand sagte etwas.
    Nach einer Weile nahm Tiller, der uns die ganze Zeit angeschaut hatte, das Aufnahmegerät, das bereits lief, in die Hand, schaltete es ab und sagte: »Meine Tochter ist entführt worden.«

13
    N och bevor Frank Tiller den Recorder

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