Süden und das Lächeln des Windes
Mal.
Meine Kollegen hatten ihr verboten, ihren Mann zu begleiten, und sie eindringlich gewarnt das Haus zu verlassen.
»Das ist sehr entgegenkommend, dass Sie auf uns gewartet haben«, sagte ich.
Mit einer flüchtigen Handbewegung hatte Martin auf einen Stuhl gezeigt und sich, ohne Bettina Tillers Einverständnis abzuwarten, hingesetzt und den Recorder ausgepackt.
»Hat sich Ihre Tochter bei Ihnen gemeldet?«, sagte ich.
»Nein!«, sagte sie laut. »Was ist denn da los? Warum ist mein Mann verhaftet worden? Die haben ihn einfach abgeholt!«
»Ich kann Ihnen darüber nichts sagen, Ihr Mann wird beschuldigt, Geld unterschlagen zu haben.«
»Das ist doch Quatsch!« Sie sah Martin dabei zu, wie er eine neue Kassette in den Recorder schob und ihn einschaltete.
»Wir nehmen unser Gespräch auf«, sagte er. »Das ist eine offizielle Vernehmung. Samstag, sechzehnter Dezember, elf Uhr fünfzehn.«
»Ich weiß doch nichts!«, sagte Bettina und drehte sich zu mir um. Ich setzte mich ihr schräg gegenüber an die Schmalseite des Tisches. »Mein Mann hat sich nicht mal umziehen dürfen! Dabei ist er beim selben Verein wie Sie! Wieso wird er so behandelt? Was hat er denn getan?«
Ihre schwarzen teuren Lederhandschuhe sahen ebenso neu aus wie ihre Stiefel, und ich konnte mich nicht gegen den Eindruck wehren, dass beides nicht richtig zu ihr passte, vor allem passten die Stiefel und die Handschuhe nicht zu dem blassblauen Anorak, der deutlich abgetragen wirkte.
»Wir sind nicht wegen Ihres Mannes hier«, sagte ich.
»Wir suchen Ihre Tochter und den kleinen Timo.«
»Ich werd Carola anzeigen! Sie ist schuld. Sie hat die Kinder verzogen, sie hat sie vor mir und vor Susanne versteckt, sie hat sich zwischen uns gestellt. Sie müssen sie verhaften, sie weiß, wo die Kinder stecken! Mein Mann hat überhaupt nichts getan.«
Wenn ich es nicht schaffte, Bettina Tillers Aufmerksamkeit und Gedanken von ihrem Mann weg und vollständig auf ihre Tochter zu lenken, würde uns diese Vernehmung nicht voranbringen, und mein Ziel war, bis zum Abend die beiden Kinder aufzuspüren. Etwas, das ich nicht erklären konnte, befahl mir noch besser zuzuhören, noch einfachere Fragen zu stellen und jeden Anflug von Kritik am Verhalten meines Gegenübers sofort zu verscheuchen. Ich durfte nur ein Medium sein, so objektiv wie möglich und geradezu unsichtbar.
»Wenn Carola Schild das Versteck kennt, wird sie es uns sagen, das verspeche ich Ihnen.«
»Sie ist verlogen«, sagte Bettina Tiller.
»Sprechen Sie mit Susanne Berghoff manchmal über Carola Schild?«, fragte ich.
»Dauernd.«
So deutlich hatte es Timos Mutter nicht ausgedrückt.
»Sie treffen sich regelmäßig«, sagte ich.
»Wir treffen uns und wir haben auch ausgemacht, dass unsere Kinder keine so enge Freundschaft haben sollen.«
»Darin sind Sie sich einig, Frau Berghoff und Sie.«
»Meine Tochter ist ein anständiges Mädchen«, sagte Bettina. »Ich hab sie gut erzogen, das können Sie mir glauben, die treibt sich nicht rum, auch wenn Sie das denken. Sie ist eben freiheitsliebend. Aber sie weiß ganz genau, mit wem sie sprechen darf und mit wem nicht. Sara würd niemals in ein fremdes Auto steigen oder so Sachen machen, die würd niemals ein Geschenk von jemand annehmen, den sie nicht kennt, das hab ich ihr immer wieder erklärt, und sie hat es verstanden. Sie ist nämlich schlau und klug ist sie auch. Sie wird das Gymnasium leicht schaffen, da machen wir uns keine Sorgen, mein Mann und ich…«
»Sie sprechen sehr offen mit Ihrer Tochter«, unterbrach ich sie, bevor sie die Schiene wechselte.
»Ich hab ihr beigebracht, laut und deutlich Nein zu sagen, ich hab ihr gesagt, wenn sie in die Stadt will, wenn sie allein mit der S-Bahn fahren will, dann darf sie das, wenn sie alle Verhaltensregeln, die ich ihr beigebracht hab, genau befolgt. Und das macht sie, da ist mir noch nie was Negatives zu Ohren gekommen. Manchmal erzählt sie, dass ein Mann sie angesprochen hat oder ein Jugendlicher und sie überreden wollte mitzugehen, in ein Café oder zum Billard, Sara sieht älter aus als zehn, Sie haben sie ja gesehen…«
»Ja«, sagte ich.
»Sie erzählt mir alles und auch, was sie dann macht, sie sagt nämlich Nein und geht einfach weiter, sie lässt sich auf nichts ein. Ich hab keine Angst, wenn sie allein unterwegs ist, sie ist ein waches, gescheites Mädchen und ich lass mir von niemand einreden, dass sie eine Rumtreiberin ist.«
»Sie geht gern zu Carola«, sagte ich.
»Sie
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