Süden und das Lächeln des Windes
zurück auf den Tisch stellen konnte, griff Martin danach und drückte den Knopf.
»Machen Sie das nie wieder!«, sagte er.
»Bitte schalten Sie aus!«, sagte Tiller. »Es ist sehr wichtig. Bitte!«
»Nein«, sagte Martin.
Der Vollzugsbeamte sah mich Hilfe suchend an, doch ich reagierte nicht.
Obwohl wir vorher nicht darüber gesprochen hatten, waren wir uns über die Strategie einig, mit der wir Frank Tiller zum Sprechen bringen wollten, vor allem dazu, endlich den Blick auf die Dinge freizugeben, die wirklich passiert waren und nicht nur in der Vorstellung der Beteiligten existierten.
Seltsamerweise erinnerte ich mich erst in der darauf folgenden Nacht daran, dass zwischen beidem kein Widerspruch bestehen muss. Dabei hätte ich bloß an jene Bilder zu denken brauchen, die mich von Beginn dieses Falles an besetzt hielten.
Zumindest geriet Tiller durch unsere Strategie aus Ablenkung, Zuhören und scheinbarer Geduld ins Erzählen, ein Erzählen, das er bald nicht mehr unter Kontrolle hatte, auch wenn er das meinte.
»Bitte!«, wiederholte er mit gedämpfter Stimme.
Martin zögerte, dann schaltete er das Gerät ab. »Sie wissen«, sagte er, »das Geld, über das unsere Kollegen mit Ihnen sprechen, geht uns nichts an. Sind wir uns eigentlich schon mal begegnet?«
»Sie haben mal jemand bei uns besucht«, sagte Tiller.
»Gerber«, sagte Martin.
»Gerber, so hieß er, genau, er hatte eine Stelle als Schweißer in der Schlosserei, guter Mann.«
»Ein Bekannter einer Bekannten«, sagte Martin, »ich hab ihr versprochen, mit ihm zu reden, ihm ins Gewissen zu reden, reinen Tisch zu machen.«
»Hats geklappt?«
»Zum Teil. Er hat sich bei einigen Leuten entschuldigt.«
»Das ist viel wert«, sagte Tiller.
»Das Band ist abgestellt«, sagte Martin. »Von wem ist Ihre Tochter entführt worden, und seit wann wissen Sie das?«
Tiller schaffte es nicht den Blick von mir zu nehmen.
Ich sagte: »Sie vermuten, dass Ihre Tochter entführt wurde, Herr Tiller.«
»Sie kenn ich nicht, wie ist Ihr Name?«
»Tabor Süden«, stellte ich mich noch einmal vor.
»Und Sie sind was? Vermisstenstelle?«
»Ja«, sagte ich.
»Meine Frau sagt, Sara ist bei dieser Carola.«
»Dort ist sie nicht«, sagte Martin.
»Das hab ich mir gleich gedacht, deswegen fürcht ich, sie ist entführt worden.«
»Von wem?«, fragte Martin.
Tillers Blick streifte mich, bevor er sich auf das Aufnahmegerät konzentrierte, er streckte eine Hand aus, als wolle er es näher zu sich heranziehen und einschalten, hielt dann inne und neigte den Kopf nach vorn. »Wie stark belast ich mich, wenn ich bei Ihnen was aussag, was mit Ihrer Abteilung nichts zu tun hat? Wird das gegen mich verwendet?«
»Meine Aufgabe ist es, verschwundene Menschen zu finden«, sagte Martin. »Und zwar so schnell wie möglich. Wo könnte Ihre Tochter sein?«
Zwar vermochte ich Martins Gesichtsausdruck nicht zu sehen, ich war mir jedoch sicher, er glich dem eines gütigen Engels.
»Auf alle Fälle noch in der Stadt«, sagte Tiller.
»Das ist sehr gut«, sagte Martin. »Und es handelt sich auch nicht um eine sexuell motivierte Straftat.«
»Um Gotts willen!«, sagte Tiller und war kurz davor aufzustehen, er stemmte schon die Arme auf die Stuhllehnen und streckte den Oberkörper, bevor er abrupt innehielt und ungelenk in sich zusammensackte. »Um Gotts willen, Herr Heuer, das ist doch nicht so was! Das können wir völlig ausschließen.«
»Das ist sehr erleichternd für uns«, sagte Martin. »Das bedeutet, Sie möchten nicht, dass das Tonband läuft, weil niemand von der Entführung wissen darf…«
»Genau, genau«, sagte Tiller eifrig.
»Jemand will Sie unter Druck setzen…« Martin machte eine Pause. »Jemand will, dass Sie schweigen, und wenn Sie schweigen, kommt Ihre Tochter frei, niemandem geschieht was.«
»Ich hab mich gleich an Sie erinnert«, sagte Tiller. »Ich vergess Gesichter nicht. Als Sie vorhin zur Tür reingekommen sind, hab ich mich entschlossen, Ihnen das zu sagen. Sie können mir helfen, Sie haben ein Gespür.«
»Danke, dass Sie uns eingeweiht haben«, sagte Martin.
»Mein Kollege und ich suchen, wie Sie wissen, auch einen Freund Ihrer Tochter, Timo Berghoff, und es sieht so aus, als wären die beiden gemeinsam verschwunden.«
»Das weiß ich doch, dass Sie das glauben, aber ich glaub das nicht. Meine Tochter ist entführt worden, und wo der Junge steckt, das weiß ich nicht.«
»Dann sind wir jetzt dank Ihrer Hilfe einen entscheidenden
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